Trink Tee – Geh!

In unserem Teeraum in der Rhön hängt eine Schriftrolle mit dem Spruch Ki Sa Ko: Trink Tee –  Geh!

Der Spruch wird dem alten chinesischen Zenmeister Zhàozhōu zugeschrieben, den die Japaner Jōshū nennen. Jōshū lebte in der Zeit der Tang-Dynastie im 8. Jahrhundert. In seinen jungen Jahren wanderte er durch China und besuchte viele Zenmeister. Erst im Alter von 80 Jahren ließ er sich in einem halb verfallenen Tempel nieder und wirkte dort noch vierzig Jahre lang als Zenmeister.

Wenn ein Mönch auf seiner Wanderschaft in seinen Tempel kam, so fragte er: „Warst du schon einmal hier?“ Unabhängig davon, ob der Mönch die Frage bejahte oder verneinte, sagte der alte Meister: „Trink Tee, dann geh!“

Vermutlich wollte Jōshū nicht wissen, ob der Mönch schon einmal an genau diesem Tempel war. Seine Frage zielte darauf, ob sein Gegenüber überhaupt schon einmal ganz konkret im jeweiligen Augenblick gewesen ist. Wie oft sind wir an einem Ort, den wir nicht einmal wahrnehmen, weil wir mit den Gedanken ganz woanders sind. Es geht darum, vollkommen im Augenblick anzukommen. Wenn wir so angekommen sind, können wir uns ganz und gar dem Tee widmen und ihn mit voller Achtsamkeit genießen. Ist dieser Augenblick vorüber, so heißt es, loszulassen. 

Das gilt nicht nur für den Tee. Auch Goethes Faust sagt zum Versucher Mephistopheles: „Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehen!“ Faust weiß, dass er den Augenblick nicht festhalten kann, und er will es auch nicht tun. Wollte er den Augenblick festhalten, so würde er zu Grunde gehen. 

Jeder Augenblick des Lebens ist wie der Tee. Trink Tee- dann geh!
Aber das Los-lassen fällt oft so schwer. Nicht nur, wenn der Augenblick so schön ist. Auch wenn wir leiden und der Zustand, in dem wir uns gerade befinden nur noch Leiden oder Unwohlsein erzeugt, wollen wir festhalten. Die Angst vor dem Unbekannten und Neuen das auf uns zukommt, wenn wir loslassen, ist oft so groß, dass wir lieber weiter leiden. Den alten Zustand kennen wir, aber das Neue ist unbekannt und erzeugt oft Angst.

Der alte Jōshū hat zwar wohl den Augenblick gemeint, den wir gerade erleben. Aber es geht nicht nur um den Augenblick des Teetrinkens, sondern gerade auch um das Loslassen ganz allgemein. Vielleicht ist auch das Alter ein Loslassen vom Gewohnten. Jeden Augenblick werden wir älter und alte Verhaltensmuster müssen wir hinter uns lassen. So verstanden ist das Teetrinken ein Bild für das ganze Leben. Wenn es zu Ende geht, heißt es, zu gehen. Ganz ohne Bedauern. 

Falls die Überlieferung richtig ist, dann begann Jōshū mit seinem Wirken in einem Alter, in dem sich viele Menschen schon längst zur Ruhe gesetzt haben oder von Krankheiten geschwächt nur noch vor sich hin leben oder bereits längst schon in eine andere Welt hinüber gegangen sind. 

Gerade in der letzten Zeit haben sich eine Reihe von Menschen aus meinem Umfeld für immer verabschiedet, obwohl sie noch einige Jahre jünger waren als ich selbst. Ganz plötzlich und unerwartet hat sich Reinhard Knodt verabschiedet. Damit ist auch der Schackenhof Geschichte.

Unter anderem ist auch ein langjähriger Schüler gegangen, mit dem ich gemeinsam viele Projekte verwirklicht hatte. Er war einige Jahre jünger. Unter anderem hatten wir eine große und viel beachtete Ausstellung über Drachen in Japan und China aus seiner umfangreichen Sammlung gestaltet. Dazu hatte ich ein Buch geschrieben: „Heilige Drachen. Alte Welt, Indien und China“. Dabei war noch viel Material gesammelt worden. Aber es brauchte noch weitere zehn Jahre, bis ich rechtzeitig zu Weihnachten im letzten Jahr den zweiten Band fertig gestellt habe. Dort sind viele Geschichten über Drachen in Korea und Japan gesammelt. Unter anderem begegnen wird dort dem im Westen weitestgehend unbekannte Kegon Sutra, das heute in den koreanischen Zen-Tempeln oder im Tempel Todaiji in Nara, dem Tempel mit dem großen Buddha studiert wird. So romantisch der Text klingt, so modern scheint er zu sein. Eine Grundannahme des Kegon-Sutra oder wie es mit seinem anderen Namen heißt dem Blumengirlanden Sutra ist das Netz des Indra. Vor dem Palast des indischen Götterkönigs Indra ist ein Netz ausgespannt, wie ein Spinnennetz. Die Fäden des Netzes verbinden die zehntausend Dinge. Das bedeutet, dass alles mit allem verbunden ist. An jedem Knotenpunkt des Netzes sitzt ein Diamant, der das Licht der Sonne, des sonnenhaften Buddha reflektiert. Wird auch nur ein einziger dieser Diamanten bewegt, so hat das eine Auswirkung auf das gesamte Netz. Alles hängt mit allem zusammen. Ein Gedanke, den wir heute im ökologischen Denken mühsam und manchmal schmerzhaft lernen müssen. 

So entsteht ein großer Respekt vor der Natur. In Japan sind die Drachen eine Verkörperung der ursprünglichen Natur und der Lebenskraft. Sie leben in den waldreichen Bergen, die teilweise so heilig sind, dass sie auch heute noch nicht betreten werden dürfen.

Das Buch ist sehr persönlich geworden, denn alle die heiligen Orte in Korea und Japan, die im Buch besprochen werden, habe ich selbst besucht. So ist es voll von Erinnerungen an die großartigen Orte mit teilweise geradezu mystischer Atmosphäre. Leseprobe oder bestellen beim Verlag

Das Buch in der Hardcover Version kann auch direkt bei mir bestellt werden. Auf Wunsch schreibe ich auch eine Kalligraphie, z.B. das japanische Zeichen für Drache. 

Noch vor Weihnachten des letzten Jahres schien meine Gesundheit unerschütterlich. Das Buch war fertig geworden und ich hatte noch viele Pläne, als ich ein wenig kränkelte. Wir fuhren dann doch zum Krankenhaus in die Ambulanz. Aber der Arzt entschied, dass noch in der Nacht operiert werden musste. Gerade noch rechtzeitig. Ein Tag später wäre wohl zu spät gewesen. Aber es gibt eben noch viele Schalen Tee zu trinken. Noch ist es nicht die Zeit zu gehen. Merkwürdigerweise hatte ich in der ganzen Zeit im Krankenhaus oder der Reha niemals das Gefühl einer Verbitterung. Warum gerade ich und warum jetzt? JETZT war eben die Zeit für das das Krankenhaus. 

In mein Krankenzimmer leuchtete in der Nacht der Mond und ich schrieb kurz nach der Op – viel zu schwach zum Aufstehen – ein Haiku:

Hell leuchtet der Winter Mond.
Drin singt der Teekessel sein Lied.
Heimkehr in die Stille. Immer und immer.

Nun bin ich längst wieder zu Hause und habe am Benediktushof inzwischen wieder ein Seminar zum Teeweg gehalten. Die Tee-Schüler kommen zum Tee Unterricht oder zum Shakuhachi spielen. Und nun werde ich endlich das Buch über den japanischen Teeweg zu Ende schreiben, das schon viele Jahre als Projekt in meinem Kopf liegt. 

Draußen der Garten grünt und blüht und viel Arbeit wartet. Auch am Teeraum gibt es noch so einiges zum Basteln. Vermutlich wird der eh niemals fertig. Alles verändert sich, nichts bleibt gleich.

Carola unterstützt mich bei der Arbeit und sie führt jetzt die Teezeremonien für unsere Gäste durch. So ist gewährleistet, dass der Teeweg hier im alten Forsthaus weiter gelebt und gelehrt wird. Gäste oder neue Schüler sind jederzeit nach Voranmeldung willkommen.

Shakuhachi Unterricht gibt es wie früher entweder hier vor Ort oder auch online.

Ich hoffe, wir werden noch viele Schalen Tee miteinander teilen. Und wenn nicht, dann ist es eben Zeit zu gehen.

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Lied unter dem Septembermond

Wir laden ein zu einem meditativen Konzert
mit der japanischen Shakuhachi Bambusflöte der Zen-Mönche
gespielt von Gerhardt Staufenbiel
mit besinnlichen Texten gelesen von Carola Catoni

Nur noch wenige Menschen beherrschen das Spiel der Zen-Bambusflöte
in der jahrhundertealten Tradition des Icchoken – Tempels in Hakata, Japan.

Samstag, den 24. September 2022
Einlass zum Garten ab 17.00 Uhr
Beginn 18.00 Uhr Ende ca. 19.30 Uhr
Eintritt frei – Spenden willkommen
Japanisches Teehaus / Atmen und Sein

Im alten Forsthaus in Waldfenster
Burkhardroth, Jägergasse 4
http://Teeweg.de/de – http://atmen-und-sein.com/

Wir bitten um verbindliche Anmeldung. Es gibt nur wenige Plätze!
Mail: Info@teeweg.de, Tel.: 0151 41447414‬ oder 0151 63387442‬
Bitte mitbringen: bequeme Kleidung, warme Socken, evtl. dünne Decke.

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Rückkehr zum Himmel

Rückkehr zum Himmel

Ich werde zum Himmel zurückkehren,
Hand in Hand mit dem Tau,
der unter der Berührung des Frühlichts dahinschwindet.

Ich werde zum Himmel, zurückkehren,
allein mit dem Dämmerlicht,
wenn die Wolken uns am Fuße des Berges beim Spielen zusehen.

Ich werde zum Himmel zurückkehren,
an dem Tag, an dem der Ausflug auf dieser schönen Welt endet,
werde gehen und sagen, es war schön.

Sang-Byeon Chun

Ich arbeite derzeit wieder an dem zweiten Band meines Buches über die Drachen und bin beim Kapitel über Korea angelangt. Da fiel mir wieder ein schmales Gedichtbändchen des südkoreanischen Dichters Sang-Byeong Chun in die Hand, das ich von seiner Witwe Mok Sun-Ok bei einem Besuch in Seoul geschenkt bekommen hatte. Ich hatte sie in ihrer Teestube „Kwi-ch’on“ in der traditionellen Einkaufsstraße Insa-Dong in Seoul mit den vielen Antiquitätengeschäften besucht. Natürlich war dort auch Brother Anthony of Taizé dort. Er ist ein englischer Professor, der seit vielen Jahren in Korea lebt und viele koreanische Dichter und Poeten übersetzt hat. Er hat auch ein Buch über die koreanische Teezeremonie geschrieben, weshalb ich ihn kennenlernen wollte. Inzwischen ist er als Koreaner eingebürgert und heißt nun 안선재 – An Seon-Jae.

Sang-Byeon Chun ist in Deutschland – so wie auch die meisten koreanischen Künstler – bei uns kaum bekannt. Aber er hat einen diplomatischen Konflikt zwischen der südkoreanischen Militärregierung und der Bundesrepublik ausgelöst. 

Chun war in Japan geboren worden. Nachdem Korea am Ende des Weltkrieges aus der japanischen Herrschaft befreit und ein eigener Staat gegründet war, kam er nach Korea. Noch während der Schulzeit begann er, Gedichte in koreanischer Sprache zu schreiben. Aber schon bald begann der fürchterliche Koreakrieg, der formal bis heute nicht beendet ist. Während der Zeit der Militärregierung unter General Park Chung-hee floh Chung wie viele südkoreanische Künstler nach Europa. Er hielt sich in Paris und Deutschland auf. Er wurde unter dem Vorwurf, er sei in der Ostberliner Botschaft Nordkoreas als Spion gegen Südkorea ausgebildet worden, entführt und in Südkorea schwerer Folter unterzogen. Aber er wurde niemals verurteilt oder auch nur angeklagt. Danach war er ein gebrochener Mann, der sich alkoholsüchtig in den Straßen von Seoul herumtrieb. Schließlich galt er als verschollen, aber er war unbekannt in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden. Genau am Tag seiner Einlieferung erschien „posthum“ ein Gedichtband, weil man dachte, er sei verstorben. Seine spätere Frau war in Hiroshima geboren. Sie entkam der Bombe, aber ihr Vater kam bei dem Angriff ums Leben. Sie betrieb die kleine Teestube, die nach dem Gedicht „Rückkehr in den Himmel“ Kwichon heißt. Dort trafen sich immer wieder viele Intellektuelle und Künstler. Die Teestube ist eine kleine Gedenkstätte für Sang-Byeon Chu.

Der Tag des Herrn
Hoch am klaren Herbsthimmel wie heute,
höher darüber fließen die Wolken dahin.

Direkt vor dem Eingang einer katholischen Kirche
warte ich nun.

Wenn der am Eingang wachestehende Verkehrspolizist
sich fertig gereinigt hat, will ich mich auch reinige

Es wäre ja eine Schande,
hätte er eine bessere Einstellung als ich.

Hoch am klaren Herbsthimmel wie heute,
höher darüber fließen die Wolken dahin.

Der Vogel.

Ein junger Soldat, der über die Feuerstellung des neuesten Maschinengewehres nachdachte, langweilte sich zu Tode. Eines Tages sah er liebevoll zu einem Vogel hinauf, der über seinen Kopf geflogen war. Der Soldat, der in den Bergen aufgewachsen war, widmete dem Vogel seine Aufmerksamkeit. Von dieser Aufmerksamkeit wurde die Augen des Mannes rot. Langsam bewegte sich seine Hand und zielte mit der Mündung des Maschinengewehres auf den Vogel und schoss. Blutend stürzte der Vogel vom Himmel herunter. Das Gebüsch streichelte die Leiche, als wäre es die Handfläche des heiligen Paulus, und es versammelten sich alle Bäume, Gräser und Blumen und schrieen laut:
„Das Blut des Unschuldigen kann nicht ausgewaschen werden. Das Blut des Unschuldigen kann nicht ausgewaschen werden!“

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Klappern und Ratschen – Karfreitag

Heute Vormittag war draußen auf der Straße vor dem Garten ein lautes Klappern und Ratschen zu hören. „Was ist denn das, ist da irgend eine Meschine kaputt gegangen? Aber heute ist doch Karfreitag und damit Feiertag! Niemand benutzt irgend eine Landmaschine. Und wenn ein Auto so klingen würde, so würde das wohl kaum noch einen Meter weiter fahren können!“

Ach ja, hier sind ja die Kirchenglocken alle nach Rom geflogen. Karfreitag fliegen sie los und kommen erst wieder in der Osternacht zurück. Bis dahin schweigen die Kirchenglocken. Deshalb gehen die Kinder mit Klappern und Ratschen und rufen die Dorfbewohner zum Kirchgang und zur Beichte und Buße.

Ratsche (Wikipedia)

Ach, das kenn ich ja noch aus meiner Kinderzeit. Da bin ich in einem kleinen Dorf im thüringischen Eichsfeld auch klappern gegangen. Eigentlich war ich es nicht, sondern meine Cousine, die mit ihrer Mutter und den Großeltern dort im Dorf lebte. Ich war aus Hessen an Ostern zu Besuch gekommen. Am Karfreitag gingen die Knaben mit Ratschen und Klappern durchs Dorf um zum Kirchgang zu rufen, denn auch dort waren die Glocken unterwegs nach Rom. Als Dank bekamen die Jungen dann Ostereier und damals sehr rare Süßigkeiten geschenkt. Immerhin war es ja noch mitten im Krieg und die Väter waren in Polen, Russland oder Finnland. Die wurden gesammelt und am Schluss an alle verteilt. Meine Cousine wollte auch immer mit Klappern gehen, aber das war für Mädchen verboten. Sie war zwar sehr kräftig und konnte durchaus auch die Jungen verprügeln, aber klappern kam einfach nicht in Frage. Aber nun war ich ja da und nach Ihrer Meinung musst ich nun mit klappern. Aber da geb es große Proteste. „Der ist noch viel zu klein, der geht ja noch nicht einmal in die Schule. Außerdem stammt er ja gar nicht aus dem Dorf!“ Aber immerhin war ich ja im Nachbardorf geboren worden, wenn auch als Sohn eines Eisenbahners. Aber das waren ja keine richtigen Dorfbewohner. Als Beamter wurden die immer wieder versetzt und gehörten somit einfach nicht dazu. Nirgendwo! Die hatten ja nicht einmal ein eigenes Haus und wohnten im Bahnhof, der gehörte aber der Reichsbahn und nicht den Bewohnern. Und wer kein eigenes Haus hat, ist ja auch kein richtiger Mensch und darf deshalb auch nicht klappern! So einfach ist das!

Klapper aus Franken ( Wikipedia)

Das alles zählte nicht für meine Cousine: „Er ist jetzt hier, seine Großeltern und seine Eltern stammen beide aus dem Dorf, also darf er mitklappern. Basta!“  Aber meine Cousine wollte unbedingt, dass ich eine Ratsche und keine Klapper bekam. Schließlich ist eine Ratsche ja das wesentlich vornehmere Instrument. Die Klappern sind für die armen Leute! Das Problem war nur, dass zwar eine Klapper übrig war, aber keine Ratsche. Also musste einer von den Jungen seine Ratsche an mich abgeben. Das Los fiel auf den armen  gutmütigen und etwas einfältigen Nachbarssohn, der traurig mit einer Klapper abgespeist wurde.
Aber ich konnte der Ratsche keinen Ton entlocken. Man schwenkt sie um den Handgriff und der Kasten mit den Holzfedern dreht sich um die mit Zapfen versehene Achse und erzeugt das ratschende Geräusch. Kurzerhand riss mir meine Cousine die Ratsche aus der Hand und übernahm meine Aufgabe. Und das, obwohl sie ein Mädchen war! Proteste von den anderen Jungens halfen gar nichts. Meine Cousine hatte sehr schlagkräftige Argumente und war finster entschlossen. Also dackelte ich etwas verängstigt hinter ihr her und durfte die gespendeten Eier in einem Beutel einsammeln.

Der Karfreitag war gerettet! Aber eine Ratsche habe ich bis heute noch nicht bedient.
Vielleicht frage ich mal die Dorfkinder hier, ob sie mich mal ratschen lassen?
Alt genug dazu bin ich ja inzwischen!Oder bin ich jetzt zu alt dafür?
Leider ist meine Cousine nicht hier!

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Winterwunderland – Rückkehr des Lichtes

hana wo nomi                Zeigte man den die Kirschblüten
matsuran hito ni           erwartenden Menschen
yamazato no                  im abgeschiedenen Bergdorf
yukima no kusa no       die Gräser unter dem schmelzenden Schnee
haru wo miseba ya       im nahenden Frühling

Dieses Gedicht aus dem alten Japan beschreibt die Situation, die wir vor ein paar Tagen hier in unserem Rhöndorf erlebt haben. Es hatte den vorigen Tag und die Nacht heftig geschneit. Nun fielen die Schneeflocken immer noch und das ganze Land verschwand unter einer weißen Decke.
Früh um 6 Uhr fiel dann der Strom aus, weder Telefon, Handy noch Internet funktionierten.
Die Straßen waren nicht geräumt und kein Auto fuhr, denn es war Sonntag. So war unser Yamazato – das versteckte Bergdorf – vollkommen vor der Welt verborgen und abgeschnitten. Tiefe Stille senkte sich über das Land. Erst am späten Nachmittag hörte der Schneefall auf und alle Nachbarn waren am Schnee schaufeln, als nach sieben Stunden plötzlich die Straßenlaternen aufleuchteten. Der Strom war zurück und die Welt hatte uns wieder.

Am nächsten Tag dann leuchtete die Schneelandschaft im strahlenden Sonnenschein, der auch schon wohlig wärmte. Die Dächer tropften vom tauenden Schnee und unter dem dichten Weiß gluckerten kleine Bäche von Tauwasser. Dort, wo sich der Boden unter dem Schnee in kleinen Lücken im Weiß zeigte, dufteten die Gräser. Bäume und Büsche warfen den lastenden Schnee ab und zeigten ihre sehnsüchtig auf den Frühling wartenden Knospen. Das Leben kehrt zurück!

Manchmal geht es in unserem Leben ebenso. Alles ist dunkel, grau und im dichten Nebel verhüllt. Es scheint keine Hoffnung mehr auf ein freies Leben. Wenn dann noch der Kontakt zu anderen Menschen fehlt, weil uns immer eingeschärft wird, dass jeder Mensch, dem wir begegnen, ein potentieller Gefährder ist und die tödliche Krankheit bringen kann, bleibt nur noch eine tiefe Depression. Menschen sind soziale Wesen und brauchen die Nähe und den unbeschwerten Kontakt mit anderen, mit denen man gemeinsam lachen und sich freuen kann. Weder das Verkriechen noch heftiger Aktionismus helfen. Aber ein Schritt zurück in eine besinnliche Stille können durchaus hilfreich sein und den grauen Nebel vertreiben.

Unsere Teeräume in dem alten Forsthaus sind nun weitgehend fertig und richtig gemütlich geworden. Jeden Tag, manchmal sogar zweimal, versammeln wir uns im Teeraum, lauschen dem Singen des Teekessels und genießen den Duft des grünen Pulvertees bei einer stillen Teezeremonie. Wie gerne würden wir Gäste einladen, aber ist das denn überhaupt erlaubt? Zwar treffe ich immer wieder Schüler online zum Unterricht in der Zen – Shakuhachi, aber es ist nicht dasselbe wie ein lebendiger persönlicher Kontakt. Nun sind schon alle Seminare und Veranstaltungen abgesagt worden. Gerne würde ich auch wieder ein kleines meditatives Konzert für Freunde und Bekannte spielen. Aber nun bleibt nur, ein paar Aufnahmen auf Youtube einzustellen. Nur noch wenige Freunde können uns – selbstverständlich mit einem aktuellen Test – besuchen. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich die Zeit, so wie der Frühling schon sehnsüchtig unter der dichten Schneedecke wartet.

Das Schlimmste für uns Menschen ist ein Leben in Angst. In der letzten Zeit habe ich ein paar Videos mit Geschichten aus dem alten Japan gemacht und auf Youtube eingestellt. Darin werden die Angst und die Befreiung von der Angst geschildert. Auch im alten Japan war die Angst eines der größten Probleme für den Menschen. Das letzte Video erzählt in einer freien, aber eng an das altjapanische Original angelehnten Nacherzählung ein klassisches Stück aus dem Noh-Theater von Zeami, der um 1400 gelebt hat: Die wahre Yamaba oder: Die Überwindung der Angst. Das ergreifende Stück ist so erstmals in deutscher Sprache zugänglich. Zeami zeigt in seinem Stück, dass man Angst nicht bekämpfen kann, indem man sich verkriecht oder in hektischen Aktionismus verfällt oder die Welt in Gut und Böse einteilt. Man stellt sich der Angst, wenn man sie annimmt und in der Stille immer wieder Kraft schöpft. Dann erkennt man, dass es nicht die äußeren Dinge waren, die Angst verursachen, sondern unsere eigene Einstellung zeigt uns die Dinge als angstvoll. Die Erzählung kann man nachlesen in meinem Buch mit Legenden und Mythen aus dem alten Japan: „Vor langer Zeit. Mukashi mukashi“. Über eine Rückmeldung über das Video würde ich mich freuen.

Ich arbeite gerade an einem neuen Buch, dem zweiten Teil über das Daodejing. Der erste Teil ist ja in diesem Sommer erschienen. In den letzten Tagen habe ich mich mit der Übersetzung des Shinjinmei, des ältesten Zen-Gedichtes überhaupt herumgeschlagen. Das erstaunlich kunstfertige Gedicht ist aus einer engen Verbindung des Zen mit den Gedanken und Erfahrungen des Dao in China entstanden. Es besteht aus 146 Zeilen mit jeweils genau vier Schriftzeichen. Die ersten Verse lauten in der Übersetzung von Gundert:

Der höchste WEG ist gar nicht schwer,
Nur abhold wählerischer Wahl.
Dort wo man weder hasst noch liebt,
Ist Klarheit, offen, wolkenlos.

Der ‚höchste Weg‘ ist das Dao. Eigentlich ist es kein höchster Weg, denn alles was ist, ist Dao. Die Ameise, die Gräser, ja selbst, wie es im Zhuangzi, dem Klassiker des Daoismus heißt, Pisse und Scheiße. Im Zen sagt man, dass alle Wesen die Buddhanatur haben, die ähnlich gedacht ist wie das Dao, das Alles ist. Aber man muss sie verwirklichen. Zenmeister Dogen nennt als Beispiel die Fähigkeit, Wasser zu holen. Jeder Mensch hat diese Fähigkeit. Aber wenn wir nicht zum Brunnen gehen und das Wasser schöpfen, gibt es eben kein Wasser. Der alte chinesische Zenmeister Joshu antwortete einmal auf die Frage nach dem Buddha mit der Gegenfrage: „Hast du deinen Reis schon gegessen? Dann geh und wasch deine Schale!“
Das ganz alltägliche Tun ist die Verwirklichung der Buddhanatur, ist das Gehen auf dem ‚höchsten Weg‘. Aber weil es das Gewohnte ist, empfinden wird das alltäglich Tun als das Gewöhnliche. Wir müssen lernen, wieder das Wunderbare am Alltäglich zu sehen. Wie erstaunlich und wunderbar ist es, wenn wir Gemüse schneiden, es erhitzen, es in einem geradezu alchemistischen Prozess verändern und als Nahrung zu uns nehmen.

Das Beiwort ‚zhi‘ im chinesischen Text des Shinjinmei für das höchste Dao ‚zhi Dao‘ ist nicht das Höchste. Es gibt aber eine Richtung an: ‚von – nach‘. Ein Mensch, der sich stets bemüht hat, immer gelernt und alle Prüfungen bestanden hat, heißt ‚zhi ren‘, höchster Mensch. Er heißt so, weil er sich stets bemüht hat und immer unterwegs war, sich selbst zu verwirklichen. Zhi Dao ist der Weg, den man jeden Tag übend geht. Nicht nur in den großen Dingen, sondern gerade in den alltäglichsten Verrichtungen, die unser Leben mit Glück erfüllen können. Wir müssen die kleinen Dinge des Lebens nur voll bewusst als das Wunder des Lebens erleben.

Im Text heißt es, dass dort, wo man nicht hasst oder liebt, die ‚wolkenlose Klarheit‘ ist.
Die ‚wolkenlose Klarheit‘, wörtlich ‚Ming Bai – strahlend hell leuchtendes Weiß‘ ist der Zustand des Geistes, der vollkommen zur Ruhe gekommen ist und einfach nur da ist. Das erste Wort in der Zeile ist schwer zu verstehen. Chinesisch heißt es dòng, Höhle oder Loch. Wörtlich müsste man dann die Zeile übersetzen: „Loch – dann strahlend weiß“. Solange man in der krassen Unterscheidung von hassen oder lieben, geimpft oder ungeimpft, richtig oder falsch verweilt, ist es, als würde man in einem tiefen Loch gefangen sein. Aber durch eine winzig enge Öffnung kann man draußen die strahlend klare Helle sehen. Dort leuchtet der Geist in Frieden mit sich selbst und der gesamten Welt. Die Angst, das Falsche zu tun oder das Richtige zu verpassen, die oft auch von außen an uns herangetragen wird, hält in diesem tiefen Loch fest. Aber die Angst bewältigen muss jeder für sich selbst. Machen wir es der Natur nach. Wenn der Winter am dunkelsten und am kältesten ist, warten die Büsche und Bäume schon sehnsüchtig auf den Frühling, um dann jubelnd zu blühen und zu leuchten.

Links zu Youtube:

Die wahre Yamaba – Überwindung der Angst:  Die wahre Yamaba

Eine Auflistung aller Videos auf meinem Youtube Kanal mit Filmen über den Teeweg, mit meditativer Shakuhachi-Musik und den japanischen Legenden findet sich auf meinem Blog.Wer den Kanal aboniert, wird automatisch benachrichtigt, wenn es ein neues Video gibt. Geplant sind weitere Erzählungen, ein paar Reiseberichte aus Japan und China ud Meditationen mit der Shakuhachi.

Myoshinan auf Youtube

Bücher:

Einige meiner Bücher sind bei mir vorrätig und können direkt über mich bezogen werden. Auf Wunsch auch mit einer japanischen Kalligrafie von mir und / oder einer persönlichen Widmung.
Bücherkiste

Wer am online Unterricht in der Zen-Shakuhachi interessiert ist, kann sich gerne an mich wenden. Teilnahme an einer Teezeremonie ist nach Voranmeldung ebenfalls möglich. Bei uns gilt 1 G, nämlich getestet. Schnelltest genügt. Geimpfte sind ebenso willkommen wie Ungeimpfte.

Sowie es die Entwicklung zulässt, werden wir wieder Seminare, auch in Griechenland anbieten. Onlineseminare sind jederzeit auch auf Anfrage mit Zoom möglich.

Mit den besten Grüßen aus dem alten Forsthaus in der Rhön
mit dem Teehaus Myoshinan
früher in Oberrüsselbach

Gerhardt Staufenbiel
und
Carola Catoni

Bleibt gesund und guten Mutes
und möglichst oft in der wolkenlosen Klarheit!

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