In der Winternacht
steht der alte Kiefern-Baum
unerschüttert da,
ob auch lastend schwerer Schnee
seine Äste niederzwingtShowa – Tennō zum Neujahr 1946
Showa Tennō, im Westen bekannt als Kaiser Hirohito war, wie viele seiner Vorgänger auch, ein guter und geübter Dichter. Zur Ausbildung des Kronprinzen gehört das Studium der klassischen Poesie und die Übung im Verfassen von Gedichten.
Hirohitos Rolle im zweiten Weltkrieg ist bis heute umstritten. Die Einen sehen in ihm den Haupt – Kriegstreiber, die anderen als ein Opfer der kriegslüsternen Generäle. Gemäß der Tradition hatte der gottähnliche Tennō die Beschlüsse seiner Regierungsorgane abzusegnen.
Sicher ist, dass Showa – Tennō schon früh dem Leiden des Krieges ein Ende bereiten wollte und Botschaften an Stalin und Präsident Truman schickte. In einer Antwort auf Kapitulationsbedingungen, die Truman gestellt hatte, wurde das Wort „mokusatsu“ verwendet, das unterschiedlich verstanden werden kann. Hirohito und sein Premieminister wollten die Antwort noch „zurückhalten“, weil sie auch noch auf eine Antwort von Stalin warteten, aber Truman verstand „ablehnen“. So entschied er, die Atombomben auf Japan abzuwerfen.
Im kalten Winter 1946 schrieb Hirohito das Gedicht über die alte Kiefer, die Oi-matsu als Neujahrsbotschaft an sein Volk.
Die alte Kiefer steht fest und sicher, obwohl sie in der Kälte der winterlichen Nacht von der schweren Last des Schnee fast zerbricht. Sie ist das Bild der Beständigkeit in schwerer Zeit. Sie ist aber auch das Bild der Hoffnung, dass sich die Zeiten wieder ändern, der Schnee schwindet und das wärmere Frühjahr wiederkommt.
Können wir uns vorstellen, dass ein Regierungschef der westlichen Welt Gedichte als Botschaft an sein Volk sendet?
Aber diese kleine Gedicht sagt mit seinem Bild mehr als 100 Seiten Redetext.
Hatsuharu – Erster Frühling
In diesen Tagen ist es im Myoshin An schon ganz warm und frühlingshaft. Im Japanischen gibt es das Wort Hatsu Haru – erster Frühling. Damit ist nicht der Frühlingsbeginn gemeint. Oft gibt es im Januar, wenn das Licht wiederkehrt warme Tage voller Sonne. Die Tiere wärmen sich am neuen Licht und wir selber genießen schon ein kleines Sonnenbad.
Kommen wieder die guten, warmen Zeiten? Beginnt das Leben wieder neu?
Hölderlin schreibt:
Kehren die Kraniche wieder zu dir zurück …?
Erster Frühlingstag
Bald schon blüht die Zaubernuss-
gelb unter dem Schnee.
Haiku aus dem Myōshin An