Am Jahreswechsel haben wir uns zu einem Haikai getroffen.
Ein Haikai ist ein Treffen, eine Versammlung (kai) mit der Absicht, gemeinsam Haiku zu schreiben.
In der Gemeinschaft ist es viel einfacher, Haiku, japanische Gedichte in der Form 5/7/5 Silen zu schreiben als allein.
Wir beobachten die Natur und das Geschehen um uns herum. Einer gibt ein Thema oder schon eine fertige Zeile, die anderen suchen dazu passende Themen und Worte.
Draußen im Garten hatte es leicht geschneit. Auf dem Bambus lag Schnee, der aber in der aufsteigenden Morgensonne zu tauen begann. Plötzlich strahlte die Sonne in den Wassertropfen auf und schon war die erste Zeile geboren:
Am Bambus taut Schnee
Die Sonne glitzerte in den Wassertropfen, die wie Edelsteine leuchteten und schon war das Haiku fertig:
Am Bambus taut Schnee.
Funkelnde Wassertropfen
wie Edelsteine.
Am Abend glühte die Sonne golden-rot, bevor sie sich endgültig zum letzten Mal in diesem Jahr verabschiedete:
Abendgoldgewölk –
letzter Sonnenuntergang.
Das Alte Jahr geht.
In der Nacht vor Silvester war dichter Nebel und der Weg zurück zum Gasthaus kaum zu erkennen. Im dunklen Schatten des nächtlichen Nebels stand die Kiefer, leicht mit Schnee bedeckt:
Kiefer im Nebel.
Der Tag des Jahres schwindet.
Wohin führt der Weg?
In der Nacht zum Neujahr war der Nebel so dicht, daß weder die Kirche noch irgend ein Licht zu sehen war. In völliger Einsamkeit lag das Teehaus, als wir das Neue Jahr nach japanischer Tradition mi einhundert acht Schlägen der Glocke begrüßten. Aber der Nebel verschluckte alle Geräusche und die Stille war nur noch tiefer:
Hundert acht Schläge
begrüßen das Neue Jahr
verschluckt im Nebel.
Am nächsten Morgen nur Nebel, durch den das Licht der neuen Sonne strahlte. Nichts war zu sehen als heller, strahlender Nebel.
Erster Tag im Jahr.
Dichter Nebel überall
verbirgt den Anfang.
Aber bald brach die Sonne durch und der frische Schnee leuchtete hell im Morgenlicht:
Schnee auf dem Bambus
Im Lichte der Neujahrs Sonne –
Freundlicher Anfang!