DŌ – GAKU – JITSU

DŌ – GAKU – JITSU

Heute habe ich in einem blog aus Amerika (sweetpersimmon.com ) einen schönen Beitrag gelesen über die drei Worte DŌ – GAKU – JITSU.

Früher hingen diese drei Schriftzeichen über dem Eingang zu den Übungsräumen bei der Urasenke. Mori  Sensei,  die eine wunderbare Teelehrerin und ein herzlicher Mensch ist, der viele Midorikai Studenten so viel verdanken, hat erklärt, das dies die drei wesentlichen Aspekte des Lernens auf dem Teeweg sind:

DŌ – der WEG, GAKU – das Lernen, JITSU –  die Wahrheit, das Verwirklichen.

DŌ – der Weg
ist das, was uns führt und leitet. Wir können uns den WEG anvertrauen, weil vor uns schon viele Andere diesen WEG gegangen sind. In Kreta gibt es das Sprichwort: Wege sind klüger als Menschen. Ja, in den Bergen Kretas sind die Wege nicht Menschen gemacht und angelegt. Sie entstehen, weil Generation um Generation den selben Weg genommen haben. Hören die Menschen auf, die Wege zu gehen, so veröden sie und werden von Unkraut überwuchert. Diejenigen, die später nach kommen, können den Weg nicht mehr finden.

Bei meinen Wanderungen in Griechenland habe ich oft und oft erleben müssen, daß moderne Maschinen gewaltsam die Berge aufgerissen haben, um Wege, nein Straßen zu bauen. Diese Straßen sind breit und zielgerichtet. Sie ziehen völlig schattenlos unter der gnadenlosen Sonne dahin, sie sind un-menschlich. Die alten, menschlichen Wege, die unter Bäumen dahinziehen und gerade so viel Steigung haben, dass man Schritt für Schritt gehen kann, sind zerstört und weithin unbegehbar geworden. Und die neuen Straßen sind eben für Maschinen gebaut, nicht für Menschen, die darauf gehen können.

Die Wege, die für den Menschen sind, müssen uns erlauben, dass wir von Zeit zu Zeit innehalten und die Landschaft um uns herum betrachten können. Sie bieten Schatten für eine Rast oder für eine Besinnung.  Sie bieten Sicherheit, dass wir Schritt für Schritt, jeder in seinem eigenen Tempo weitergehen können. Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, an einem Ziel anzukommen. Das Unterwegs – Sein ist fast wichtiger. Jeder Ort, an dem wir stehen bleiben und uns besinnen, ist schon und fast schon wie eine Ankunft.

Wege sind dazu da, uns zu führen und zu leiten. Aber wir sind es, die den Weg gehen müssen. Wenn wir uns nicht aufmachen und unentwegt weiter gehen, bleiben die Wege ungegangen.

Martin Heidegger hat einmal an einen jungen Studenten, der dann auch eine Zeit lang mein Lehrer war geschrieben: „Bleiben sie stets beirrt aber immer unent-wegt“.  Es ist ein Geschenk, wenn wir UNSEREN WEG gefunden haben. Trotz aller Irrungen, Mühen und trotz allem Innehaltens wissen wir, dass wir auf dem rechten Weg sind. Auch scheinbare Umwege führen uns – im Nachhinein gesehen – wohlbehalten ans Ziel. Das Herz, das inniglich wünscht, den WEG zu gehen, ist unser eigentlicher Lehrer, unser Meister (Rikyû Hyakushû Nr 1)

Die modernen Straßen zielen nur noch auf Schnelligkeit. Niemand sieht mehr die Landschaft, wenn wir die Autobahn entlang rasen. Ja, es ist geradezu unmöglich für die Menschen, diese Straßen zu gehen. Wir müssen darauf entlang rasen, um möglichst schnell zum Ziel zu kommen. Wenn wir Menschen dabei auf der Strecke bleiben, so kümmert das niemanden. Das Ziel ist es, was alles bestimmt. In dieser Weise wird leider häufig mit den Menschen im Arbeitsprozess umgegangen. Es ist nur noch Menschenmaterial, das in der Regel auch noch zu teuer ist. Man ersetzt die Menschen besser durch Maschinen.

Gaku ist das Lernen.
Aber wer den WEG gehen will, darf nicht nur mit dem Kopf lernen. Wir lernen mit dem Herzen. Mit dem Kopf lernen wir Daten und Fakten, aber das Herz bleibt leer. Im modernen Ausbildungswesen gilt es, möglichst schnell und effektiv zu lernen, damit man erfolgreich Prüfungen ablegen und Zertifikate erwerben kann. Aber die wahre Prüfung stellt das Leben, nicht eine bestellte und verbeamtete Kommision. Auch in den Wegen müssen wir eine Menge lernen. Im Teeweg gibt es eine Fülle von Fakten, Prozeduren und Daten, die man „wissen“ sollte.

Vieles was es auf einem Weg zu lernen und zu „wissen“ gilt, wird erst verstanden, wenn wir den Weg genügend weit gegangen sind. Wie oft habe ich von Schülern, die auf ihrem Weg an einem bestimmten Ort angekommen sind gehört: „Ja, warum hat uns das niemand gesagt!“. Dabei hatte ich mir den Mund fusselig geredet. Aber das Wissen, das es auf dem WEG zu lernen gilt, wird oft überhaupt erst wahrgenommen, wenn wir bereit sind zum Verstehen. Vorher ist es nur „Wissensstoff“, den ich in einem Notizbuch eintragen und getrost nach Hause tragen kann. Dort liegt er ruhig in Schubladen und wird möglicherweise niemals mehr gebraucht. Hauptsache, es ist stets „verfügbar“.

Jitsu ist die Wahrheit, die Wirklichkeit.
Wissen, das ich nur im Kopf oder gar nur im Notizbuch mit mir herum trage, das nicht verwirklicht wird, ist kein wahres Wissen.

Bei meinem Philosophie Studium habe ich oft erlebt, wie Mit-Studenten brilliante Vorträge über bestimmte philosophische Themen gehalten haben. Aber alles war angelernt und auswendig daher gesagt. Wenn mein Lehrer dann lobte: “ Das haben Sie sehr schön gesagt, aber könnten Sie es bitte mit ihren eigenen Worten sagen!“ kam nur noch unbeholfenens Stottern. Angelerntes Wissen kann jederzeit aus der Schublade geholt und wieder daher gesagt werden, aber es verwirklicht sich nicht in meinem Leben. Nur das, was ich wirklich lebe, ist lebendiges und wahres Wissen.

Alles Gelernte auf den Wegen ist nur dann echt und wirklich, wenn es außerhalb der Unterrichtssituation gelebt wird.

Wir hören erst dann auf, Schüler zu sein, wenn wir das Wissen leben, jeden Augeblick leben.

Das zeichnet den Meister aus vor dem Schüler: er weiß nichts mehr, er LEBT was er einmal gewußt hat.

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