Seltsamer Abendspaziergang

Nach der langen und drückenden Sommerhitze ist es nun plötzlich sehr kühl geworden. Aber der kleine Hund freut sich nun auf einen Abendspaziergang im Wald. Kaum waren wir aus dem Haus und auf dem Weg in den Wald, als plötzlich die kleine Katze auftauchte und uns begleitete. Und dann kam auch noch ihre Schwester hinterher gesprungen. So zogen wir in einer kleinen Prozession in den Wald. Vorneweg der Hund, dann kam ich und in gehörigem Abstand immer die beiden Katzen. Schließlich will man als Katze ja nicht den Eindruck erwecken, als wäre man von seinem Dosenoffener abhängig. Also immer rechten Abstand waren. Manchmal kam eine der beiden Katzen und strich schnurrend um meine Beine, manchmal kam die Andere.
Der kleine Hund blieb immer wieder stehen und warte auf Herr und Katzen.
Die beiden Katzen sind zwar Schwestern, aber wie es so in der Familie manchmal vorkommt, sind sie sich nicht sehr wohlgesonnen. Beides sind dreifarbige Glückskatzen. Yuki – Schnee – heißt so, weil sie zwar ein schwarzes Köpfchen hat, dafür aber sind die Pfoten schneeweiß. Sie ist ganz verschmust, aber ein tapferer Jäger. Einmal brachte sie fauchend eine kleine Kreuzotter ins Wohnzimmer. Vermutlich möchte sie mir zeigen, wie tapfer sie Jagd. Hinter dem sanften Schmusewesen steckt scheinbar eine ganz schwarze Seele in ihrem Köpfchen.
Ihre Schwester Fuki – heißt nach dem japanischen Wort für Glück Fuku. Sie hat ein Köpfchen, das wie Jin und Yang rot und schwarz gefärbt ist. Wenn sie ihrer Schwester Yuki zu nahe kommt, faucht die laut und verjagt die arme Fuki.
Die Freundschaft mit dem Hund ist da schon sehr viel tiefer. Es kommt niemals vor, dass die beiden Katzen miteinander spielen, aber Katze und Hund tollen oft wie wild umher. Der Hund knurrt, beißt Yuki in die Beine und schnappt nach ihrem Hals. Das alles lässt sich die Katze gefallen. Sie liegt auf dem Rücken und genießt das Spiel. Wenn es ihr zu viel wird, ist sie mit einem gewaltigen Satz auf und davon. Etwas sanfter geht der Hund mit Fuki um. Sie liegt auf dem Rücken, der Hund himmelt die Katze an und leckt ihr den Bauch.
So zog also die kleine Karawane in den Wald. Wäre uns ein Fremder begegnet, so hätte er sich sicher gewundert. Ein kleiner Hund führt eine Karawane aus Mensch und zwei Katzen durch den Wald. Die Katzen hielten immer gehörigen Abstand voneinander. Wenn Fuki mir zu nahe kam, fuhr ihre Schwester fauchend dazwischen und Fuki verschwand weit im Wald, kam aber nach einiger Zeit wieder nahe heran. Zwei Schwestern, streiten und leben nicht miteinander, sondern fast gegen-einander. Einst hatte Zenmeister Nanzen gedroht, dass er die Katze mit dem Schwert in Zwei teilen würde, wenn sich die Mönche der Westhalle und die der Osthalle nicht einigen könnten, wem die Katze gehört. Zenmeister Dogen hätte ihn gefragt: „Du kannst zwar die Katze mit dem Schwert in Zwei schlagen, kannst du sie aber auch in Eins schlagen?“ Ach, wäre doch Zenmeister Dōgen hier und würde die beiden Katzen in Eins schlagen.
So zogen wir immer tiefer in den Wald. Manchmal wartete der Hund, bis die Katzen wieder nahe genug gekommen waren. Manchmal schaute er verwundert, wenn Yuki ihre Schwester in den Wald hetzte. Aber Yuki kam immer wieder – mit gehörigem Abstand zur Schwester – und schloss sich unserem seltsamen Zug an. Als es dunkel wurde, kehrten wir nach Hause zurück.
Die Katzen taten so, als wollten sie im Wald bleiben. Nur nicht den Eindruck erwecken, als würde man zu seinem Menschen gehören. Katzen gehören niemandem, nur sich selbst! Dann aber sprangen sie in gewaltigen Sätzen wieder her und schnurrten um meine Beine. Kurz vor dem Gartentor jagte Yuki noch einmal ihre Schwester auf einen Baum, dann kehrten wir friedlich heim.

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