Dämonen im Kopf

Vor langer Zeit lebte im alten Korea ein buddhistischer Mönch Namens Won Hyo.

Er hörte von einer neuen Meditationsmethode in China, mit der man seinen inneren Frieden finden kann. Mit seinem Freund Uisang machte er sich auf den Weg nach China.

Unterwegs wurden die beiden mitten in der Nacht von einem heftigen Unwetter überrascht. Zum Glück fanden sie einen Unterschlupf, den sie für ein Heiligtum hielten.

Won Hyo hatte großen Durst. Da fand er einen Flaschenkürbis und klares Wasser. Er schöpfte aus dem Wasser, das süß und erfrischend schmeckte. Friedlich schlief er ein und träumt, wie himmlische Wesen musizierten und tanzend um ihn schwebten. Die Luft war efüllt von Duft wie im Lande Buddhas.

Erfrischt und getröstet erwachten die Beiden am nächsten Morgen. Aber das Heiligtum schien eine Begräbnisstätte zu sein. Was Won Hyo für einen Flaschenkürbis gehalten hatte, war ein menschlicher Schädel. Im Wasser lagen Teile von menschlichen Skeletten und das Wasser schmeckte faulig.
Das Unwetter hielt an und die beiden mussten noch eine weitere Nacht in ihrem Unterschlupf verweilen. In der Nacht träumte Won Hyo, wie grässliche Dämonen einen fürchterlichen Lärm veranstalteten und ihn stachen und zwickten und ein fürchterlicher Gestank erfüllte die Luft.

Als er am nächsten Morgen erwachte, erkannte er, dass sie in einem einfachen Unterstand genächtigt hatten, der einen guten Schutz vor dem Unwetter geboten hatte. Es war sein Bewusstsein, das ihn Engel oder Dämonen sehen ließ. Real waren nur das hölzerne Gebäude und das Unwetter.

Won Hyo wusste nun, dass er nicht mehr nach China reisen musste, um die neue Meditationsmethode zu erlernen. Er war einfach bei sich selbst angekommen.

So ist es: In Gefahr suchen wir Unterschlupf, auch wenn die noch so schlicht und einfach ist. Natürlich wäre es unsinnig, die Gefahr zu ignorieren und sich nicht zu schützen. Das gehört zu einem klaren und wachen Geist. Nur unser Bewusstsein lässt uns in der Gefahr Engel oder Dämonen sehen. Aber die sind nicht real!

Won Hyo wurde ein berühmter Denker und schrieb viele Bücher. Hätte er damals nicht Unterschlupf gesucht, wäre er möglicherweise vom Blitz erschlagen worden.

Es ist unsinnig, in Zeiten einer Epidemie Coronaparties zu feiern.
Es ist unsinnig, sich nicht zu schützen. Wie bei jeder Grippewelle auch.
Aber die Dämonen der Angst sind nur in unserem Bewusstsein.

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Geh! Kauf Klopapier

Geh! Kauf Klopapier!

Vom alten Zenmeister Joshu wird eine Geschichte erzählt, die leider häufig nur verkürzt wiedergegeben wird. In alten Dokumenten habe ich die wahre Geschichte gefunden und wieder restauriert.

Ein Mönch kam zu Meister Jōshū und fragte:
„Ich habe gehört, dass Bodhidharma einen in der Corona hatte und von China her über die Wupper kam.
Ich hab ja soh‘n Schiss!“

Joshu antwortete: „Dann geh und kauf Klopapier!“

„Aber ich war ja schon beim Edeka, da is alles ausverkauft!“

„Ach so, ja dann trink Tee!
Ach, übrigens wenn du schon zum Edeka gehst, bring mir doch noch ein paar Nudeln mit.
Man weiß ja nie!“

Ich sitze hier im Teehaus, trinke Tee, denke über Corana nach und wundere mich.
Wenn ich die Zahlen der Sterblichkeit anschaue und mit früheren Grippewellen vergleiche, so denke ich, dass die Krankheitswelle in diesem Winter weitaus milder verläuft als in anderen Jahren.
In der Regel sind es sehr alte Menschen mit schweren Vorerkrankungen, die in Krankenhäusern sterben. Das war schon immer so. Schwache und kranke Alte sterben gern an Lungenentzündung, wenn sie ins Krankenhaus und in die Intensivstation kommen. Das war schon immer so und wird auch so bleiben. Auch ohne Corona.

Warum gibt es jetzt den Corona Virus? Möglicherweise liegt das daran, dass es erst jetzt einen Test dafür gibt. Früher sind die Menschen an Grippe oder einer Erkrankung der oberen Atemwege oder einfach an Altersschwäche gestorben.

Es gab eine Zeit, in der alle Mediziner den neu entdeckten Helicobacter gejagt haben wie den Teufel. Alle Kranken mit Magenkrebs hatten ihn. Kein Wunder wie man inzwischen weiß. Denn fast jeder Mensch hat ihn und er sorgt möglicherweise für ein gesundes Immunsystem. Also haben ihn, auch an Magenkrebs Erkrankte.
Mein Philosophie Professor hat in der Philosophie der Wissenschaften immer ein Beispiel gegeben für wissenschaftliches Denken:
Ein Mann mit einem Alkoholproblem weiß nicht, dass sein Problem vom Alkohol verursacht wird. Er testet Whisky mit Soda, Gin mit Soda, Wodka mit Soda … Immer wird er betrunken. Es kann nur das Soda sein!
Wissenschaft kann nur das finden, was sie sucht! Man kann keinem Wissenschaftler in einen Raum führen und sagen: „Nun such und forsch mal!“ „Wonach soll ich denn suchen?“

Das Coronavirus hat es früher auch schon gegeben. Man hat es nur nie gefunden, ganz einfach, weil niemand danach gesucht hat. Der jetzige Stamm ist modifiziert. Auch die Grippe Viren modifizieren sich in jeder Saison neu. Gegen den alten Stamm sind zu viele Menschen immun. Also muss es sich immer wieder ändern. So auch Corona. Neu ist nur, dass es jetzt Testmethoden gibt, die allerdings nicht wirklich gesicherte Ergebnisse liefern. Früher gab es die Schweinegrippe und die Vogelgrippe. Alles war in Panik. Und was ist passiert? Einige Menschen sind gestorben. Das ist jeden Winter so!

Das Virus kommt aus China. Dort hatte man als erstes Land den neuen Test zur Verfügung. Jetzt ist Europa das Epizentrum. Klar! Von hier kommen die Möglichkeiten für den Test. Je mehr Menschen getestet werden, desto häufiger findet man das Virus. In China ist die Zahl der gemeldeten und erfassten Neuinfektionen dramatisch angestiegen, als man die Testmethode geändert hat. Zunächst konnte man in Deutschland die Infektionskette verfolgen. Aber inzwischen verwischen sich diese Spuren. Möglicherweise, weil ohnehin ganz viele Menschen das Virus in sich tragen? Wie auch Grippeviren.
In Amerika gab es das Virus zunächst nicht. Niemand hatte getestet! Und Afrika? Ach, die haben ja eh kein Geld für die Tests!

Ich möchte kein Politiker sein, der jetzt Entscheidungen treffen muss. Ich müsste auf den Rat von Fachleuten hören. Aber was, wenn gerade diese Fachleute eben den Test entwickelt haben. Oberste Regel, wenn man auf den Rat von Wissenschaftlern hören will: Frag zuerst, wer ihn bezahlt!

Vergleiche den alten Streit über die Schädlichkeit von Fett gegen Zucker. Wer hat damals den Streit gewonnen? Die finanzkräftige Zuckerindustrie! Fett war der Krankmacher. Oder war es das Soda im Whisky?

Wie hat Hölderlin gesagt?
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.
Vielleicht ist die Gefahr nicht das Coronavirus, sondern unser allgemeines Unbehagen über unsere Lebensweise? So hält derzeit die ganze Welt den Atem an. Können wir so weitermachen wie bisher? Alles ist machbar, alles kann man kaufen. Nur Zufriedenheit und Glück nicht.
Nutzen wir die Atempause, die uns das Virus schenkt, um wieder einmal in uns hinein zuhören. Macht uns das gehetzte, moderne Leben krank? Wollen wir so weiter machen wie bisher? Erkennen wir jetzt, dass nicht der wirtschaftliche Erfolg in der Mitte stehen muss, sonder der Mensch. Wozu arbeiten wir? Damit die Wirtschaft boomt oder damit wir ein gutes Leben führen können?

Ach, wenn wir noch ein paar Firmen schließen und das öffentliche Leben weiter lahmlegen, schlafen wir bald wieder auf Bärenfellen. Aber die haben dann nur die Stärksten unter uns. Die anderen schlafen auf dem nackten Boden und sterben an Lungenentzündung. Die Frage ist nur, woher wir dann das Klopapier bekommen!

Aber meine Meinung zählt nicht. Ich bin nur ein einfacher alter Mann, der seinen Tee trinkt und dem Teekessel bei seinem Gesang zuhört und sich wundert.

Ach nein, ich gehöre ja zu der gefährdeten Generation?!

Nein, stimmt nicht! Ich bin im besten Alten für das Amt des amerikanischen Präsidenten!
Und wenn ich erst mal Präsident bin, werde ich als erste Amtshandlung das Virus verbieten.

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Tamuke – Hände erheben zum Gebet

Heute habe ich ganz spontan das traditionelle Lied „Tamuke“ – „Hände erheben zum Gebet gespielt für Alle, die in der jetzigen Situation Ruhe und Frieden suchen. Das Stück ist einfach nur gespielt und nicht weiter bearbeitet. Man möge darum die Fehler verzeihen.
Die Shakuhachi, die ich da spiele ist von Ken Lacosse gebaut worden, der uns leider auch schon ganz überraschend verlassen hat. Also auch ein Dank an ihn!

Trink Tee, spiel Shakuhachi und geh- zurück in den Alltag!
So wie es jetzt aussieht, muss ja wohl das Shakuhachi Seminar auf Teneriffa ausfallen. Ein kleiner Ersatz!

Aber der Online Unterricht via facetime oder skype geht ungebrochen weiter. Da kann man sich zwar auch mit „Viren“ anstecken, aber nicht mit Corona. 🤓

Wir rufen die Toten, die klagen und weinen, weil sie zu früh gestorben sind. Getröstet gehen sie und senden ihren Segen.

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Vater! Mutter! Himmel! Erde!

Im Buch des chinesischen Denkers Zhuangzi gibt es eine sehr berührende Geschichte. Sie ist nun schon über zweitausend Jahre alt und wir sind heute sehr viel weiter in der Entwicklung! Schließlich haben wir die Technik, und die Medizin ist fortgeschritten. Wir haben Lebensversicherungen und sind gut und sicher eingerichtet in unserer Welt. Oder etwas doch nicht? 
Woher kommt die Angst, die derzeit die ganze Welt den Atem anhalten lässt?
Warum sind die Regale mit Toilettenpapier im Supermarkt leergekauft?
Hilft es, wenn man sich in Klopapier einwickelt? Vielleicht stoppt das ja das Virus?

Hören wir die Geschichte:

Meister Yu und Meister Sang waren Freunde. Als es einmal zehn Tage ununterbrochen regnete, sprach Meiste YU: „Ich fürchte, Meister Sang ist in Not!“
Er packte etwas Essen ein und ging zu ihm. Als er an der Tür angekommen war, hörte er, wie die Laute geschlagen wurde und wie es schluchzend sang:

„Vater!
Mutter!
Himmel!
Erde!“

Die Stimme brach und der Gesang endete gehetzt. Meister Yu trat ein und fragte: „Warum singst du das Lied auf diese Weise?“

„Ich habe darüber nachgedacht, was mich in diese Lage gebracht haben könnte, doch ich habe es nicht herausgefunden. Vater und Mutter, warum sollten sie wollen, dass ich leide? Der Himmel bedeckt alles, ohne jemanden vorzuziehen. Die Erde trägt alle, ohne jemanden vorzuziehen. Warum sollten sie wollen, dass ausgerechnet ich bedürftig werde?
Ich habe versucht zu verstehen, wie es dazu gekommen ist, aber ich habe es nicht herausgefunden. So kann es nur das Schicksal sein!“

Das gerade macht Angst. Wir verstehen nicht, warum und woher. Wir erkennen nur unsere Hilflosigkeit. All unsere Technik und die Medizin sind machtlos. Unser rasendes Mache-Wollen oder fast schon Machen – Müssen ist an eine Grenze gekommen. Scheinbar bleibt nur der Rückzug in die Isolation?

Bleibt uns nur noch die italienische Lösung: Fenster öffnen, auf die Balkone gehen und gemeinsam singen?

Die ganze Welt hält den Atem an und verfällt in Schockstarre.
Die Virologen meinen, dass das Virus erst stoppt, wenn 70 % der Bevölkerung infiziert war. Dann gibt es genügend Abwehrkräfte und das Virus stoppt.

Nur zum Vergleich:
Während der Grippewelle 2017 / 18 sind in Deutschland 25.100 Menschen an Grippe gestorben. Aber es war ja nur eine Grippe. Da weiß man doch, was man hat!

Todesfälle durch Corona in Deutschland bisher: 9

Komm, trinken wir Tee!

Das klärt den Geist und schenkt den inneren Frieden.
Mehr kann man derzeit eh nicht tun.

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Trink Tee – Geh!

Ich habe einen kleinen Text als Grußwort für ein neues Buch über Tee und Zen geschrieben. Den möchte ich hier vorstellen.


Zum Geleit:
Komm – trink Tee!

Der alte chinesische Zenmeister Zhàozhōu, den die Japaner Jōshū nennen, fragte die Besucher seines Tempels: „Warst du schon einmal hier?“
War die Antwort: ‚Nein‘, dann sprach Jōshū: „Trink Tee – Geh!“.
Bejahte der Besucher die Frage, so erwiderte Jōshū ebenfalls: „Trink Tee – Geh!“ Der Tempelverwalter war verwirrt.
Auf seine Frage bekam er die Antwort: „Trink Tee – Geh!“

Das Teetrinken nimmt bis heute in den Tempeln in China, Korea und Japan eine wichtige Rolle ein. Auf unserer Reise durch Zentempel in Südchina wurden wir stets zum Empfang mit Essen bewirtet. Danach forderte uns der Zenmeister auf: „Komm, trinken wir erst einmal Tee!“ Uns wurden die kostbarsten Tees serviert. Einhundert Jahre alter Pur-erh oder Tee aus eigenem ökologischen Anbau der Tempel. 

In Korea wurden wir vom alten Zenmeister zum Tee empfangen. Er saß an einem niedrigen Tischchen in der Mitte des Raumes, der bis zur Decke mit Büchern vollgestopft war. Zwischen all den Büchern fanden wir und ein paar Mönche gerade Platz zum Hocken auf dem Boden. Zenmeister sind eben oft große Gelehrte! Wir sprachen über den japanischen Zenmeister Dōgen, über die Teezeremonie und über unsere Eindrücke auf der Reise. Der Meister bereitete eigenhändig Tee aus Indien, der Heimat des Buddha, aus China, Korea und aus Japan zu. Er hatte speziell für uns kostbaren japanischen Matcha besorgt. Ich durfte ihn mit einem nagelneuen Teebesen schlagen. Über alle kulturellen Grenzen hinweg feierten wir den Frieden zwischen Japan, China und Korea bei einer Schale Tee. Oder waren es zehn oder zwanzig Schalen?

Gespannt schauten die Mönche in China zu, wenn wir eine japanische Teezeremonie mit pulverisiertem Matcha vorführten. Diese ritualisierte Teezubereitung stammt aus China. Aber nur in Japan hat sie die stürmischen Zeiten überlebt und sich zu einer eigenen Kunstform entwickelt. Jetzt kehrte sie heim an ihren Ursprung.

 
In China haben wir erlebt, wie buddistische Mönche, Universitätsstudenten und einfache Bauern ihren Tee bereiteten. Dabei suchten sie nach neuen – oder vielleicht doch uralten – meditativen Choreografien, denn die Tradition ist dort längst – spätestens seit der Kulturrevolution – verloren gegangen. Beeindruckend war die tiefe Konzentration, mit der sie den Tee bereiteten.

Das ist es: Mitten in der Hektik des Alltags innehalten, mit höchster Achtsamkeit Tee zubereiten und gemeinsam trinken. Vielleicht meinte das der alte Jōshū: „Lass uns zusammensetzen, die Hektik des Alltags fallen lassen und Tee trinken! Einfach nur Tee trinken.“ 


Tee klärt den Geist, macht wach und gelassen, und fördert die Meditation, vor allem in der Form des grünen Pulvertees. Der japanische Meister Myoe, der die erste Teeplantage in Japan angelegt hatte, fasste zehn positive Wirkungen des Tee zusammen. Tee schenkt einen wachen Geist und einen gesunden Körper. Er vertreibt Dämonen und böse Geister, vielleicht den bösen Dämon der rastlosen Hektik.  Kaffe dagegen putscht auf und macht nervös.

Wenn wir beobachten, wie Menschen mitten im hektischen Alltag hastig ihren Kaffee zu sich nehmen, möglichst noch als ‚Coffee to go‘ aus Plastikbechern auf der Hetze zum nächsten Termin, ohne überhaupt zu bemerken, dass sie Kaffe trinken, versteht man, welche Stille und Ruhe vom Teetrinken ausgeht. In China gibt es das Sprichwort: Wenn du es eilig hast, mach einen Umweg! Zenmeister Jōshū würde vielleicht sagen: Komm, trink erst einmal Tee!

In China hatten wir an einer Tagung teilgenommen mit dem Thema „Tee und Zen – Ein Geschmack“. Es war allen Teilnehmern völlig klar, dass Tee und Zen untrennbar zusammen gehören. Die Frage war lediglich, welcher der frühen Zenmeister diesen Spruch geprägt hatte. Vielleicht aber sind Tee und Zen in China von Beginn an eng verwoben. So waren es Zenmönche, die den Tee von ihren Studien aus China mit nach Japan brachten. Die ersten japanischen Teemeister waren Mönche oder übten sich intensiv im Zen. Viele waren Laienpriester des Zen.

Im heutigen Japan dagegen, wo die Teebereitung als eigene Kunst im Teeweg gepflegt wird, hört man immer wieder: „Tee ist Tee und Zen ist Zen!“ Zen ist für die Japaner weitgehend zu einer exotische Weise geworden, mit gekreuzten Beinen auf dem Boden zu hocken, während ein Aufseher mit dem Schlagstock durch die Meditationshalle schreitet.
Tee dagegen gilt als ein Kunstweg mit strikten Regeln, die genaustens befolgt werden müssen. Er ist im Laufe der Geschichte zum Zeitvertreib älterer Damen geworden, die prächtige Kimono tragen, kostbare Teegeräte zur Schau stellen und schwatzend den Tee zubereiten. Die Teezeremonie hat in Japan heute nahezu den gleichen Stellenwert wie das Schuhplatteln in bayrischen Traditionsvereinen. 

Aber im Ursprung ist die Kunst der Teebereitung reiner Zen. Zen muss nicht in der Form des Za-Zen, des Sitz-Zen geübt werden. Das achtsame Handeln im Alltag kann Zen sein. Als junger Mönch fragte Jōshū seinen Meister Nanzen nach dem wahren Weg. Nanzen antwortete: „Es ist der alltägliche Geist!“ 

Als alter Meister wurde Jōshū nach dem Wesen des Buddha gefragt. Er antwortete mit einer Gegenfrage: „Hast du deine Reisschale schon gewaschen?“ 

Zen ist nichts Spekulatives oder Kompliziertes. Es ist der gewöhnliche Alltag in voller Achtsamkeit und Bewusstheit gelebt. Der Teemeister Rikyu wurde einmal gefragt, was denn das Geheimnis des Teeweges sei. Er antwortete mit alltäglichen Dingen: „Wasser holen, Brennholz sammeln, Wasser erhitzen, Tee schlagen und trinken. Das ist alles“ „Das kann ich schon alles!“ „Dann möchte ich dein Schüler werden!“ 

Was so einfach klingt, ist schwer zu verwirklichen. Unser Alltag ist hektisch und kompliziert geworden. Wir haben unser eigenes Selbst in dieser Hektik verloren. Im Teeweg dagegen ist alles einfach und natürlich. Die Bewegungen und die Atmung werden eine Einheit. Wir hören auf, etwas zu tun, alles geschieht wie von selbst und wir beginnen, den Tee zu tanzen. 

Schöpfen wir das Wasser mit der Bambuskelle, so werden Hand und Schöpfkelle Eins. Es ist, als würden wir das Wasser mit der bloßen Hand aus der Quelle schöpfen. Ich hatte einmal eine Teeschülerin, die an einem Gehirntumor erkrankte. Völlig versunken und selbstvergessen saß sie im Teeraum, schöpfte immer wieder Wasser und goss es langsam und achtsam in die Teeschale. Verzückt lauschte sie dem Geräusch, das wie ein klarer Wasserfall im Gebirge klang: „Das ist so schön!“ Alles andere hatte sie vergessen. Aber der Klang des Wassers in der Teeschale berührte sie im tiefsten Inneren. 

Das kalte Wasser klingt in der Teeschale wie das frische Wasser eines Bergbaches, das auf Felsen trifft. Warmes Wasser klingt weich und mild. Tauchen wir die Schöpfkelle in das heiße Wasser des Teekessels, bemerken wir, wie die Hitze die Schöpfkelle zurückdrängt. Wir spüren am Gewicht des Wassers in der Kelle, ob wir warmes oder kaltes Wasser geschöpft haben. Durch das achtsame Schöpfen überspringen die Sinne ihre Begrenzung: Wir hören die Temperatur des Wassers und spüren sie am Gewicht. Darin liegt nichts Übernatürliches oder Magisches. Beim ganz gewöhnlichen Schöpfen von Wasser werden wir eins mit der Natur und wir vergessen uns selbst vollkommen. Zenmeister Dōgen schrieb einst: „Den Buddhaweg erlernen heißt, sich selbst erlernen. Sich selbst erlernen heißt, sich selbst vergessen.“ 

Meinte der alte Fuchs Jōshū mit seiner Frage: „Warst du schon einmal hier?“ Überhaupt nicht, ob wir früher einmal an diesem oder jenem Ort waren? Vielleicht fragt er, ob wir jemals HIER, im JETZT, bei uns selbst waren, indem wir uns ganz und gar selbst vergessen haben? Wenn wir noch nie bei uns im HIER angekommen sind, wird es höchste Zeit, Tee zu trinken. 

Was gibt es Schöneres, als an einem kalten Winterabend dem Teekessel im Teeraum zu lauschen, der wie der Wind in den Kiefern singt. Die Dufthölzer im Feuer verbreiten den Duft des reinen Landes, und der Tee erfrischt den Geist. Wir werden immer stiller und spüren, wie wir Eins mit der Natur werden. Wenn wir dann wieder zurückkehren in den Alltag, scheint es, als wäre die Hast und Hektik verschwunden. Die gelassene Stille des Teeraumes wirkt im Alltag nach. Vielleicht meinte der alte Jōshū diese Rückkehr in den Alltag: „Trink Tee – dann geh!“ Geh zurück in den Alltag und bring deine Stille hinaus in die Welt auf dass sie sich wandele. Wenn wir so zu uns selbst gefunden haben, verwirklichen wir unsere Buddhanatur.

Zenmeister Dōgen meint, dass alle Wesen vom Ursprung her die Buddhanatur haben. Wenn das so ist, warum soll man dann noch üben? Wir verwirklichen durch Üben unsere Buddhanatur. Jeder Mensch hat die Fähigkeit, zur Quelle zu gehen und Wasser zu schöpfen. Aber wir müssen es TUN! Andernfalls gibt es kein Wasser aus der Quelle! Wir müssen immer und immer wieder zur Quelle gehen und Wasser schöpfen. So geht es im Teeweg nicht darum, eine Fertigkeit zu erlernen, um sie fortan für immer zu besitzen. Wir müssen immer wieder und wieder Tee üben und zur Stille zurückfinden. Tee ist Zen – Meditation.

Darum ist die Praxis im Zen wie im Tee so wichtig. Aber wir müssen auch verstehen, was wir tun. In Japan neigt man dazu, das alleinige Gewicht auf die Praxis zu legen. Frag nicht – Mach! Man sagt, dass der Fisch das Wasser, in dem er schwimmt, nicht verstehen muss. Aber was, wenn das Wasser auszutrocknen droht?

Wir Abendländer sind nicht im Wasser des Zen und des Tee zu Hause. Darum müssen wir versuchen, es zu verstehen um uns angemessen darin bewegen zu können. Unsere Not ist es, dass der Zen und der Tee fremd für uns sind. Aber diese Not ist zugleich eine große Chance. Wir sehen und Staunen. Das Staunen aber ist der Anfang des Verstehens. Japaner fragen nicht mehr nach der Philosophie des Teeweges oder des Zen. Teeweg ist das, was die alte Tante oder die Oma schon immer praktiziert haben, das aber völlig aus der Mode gekommen ist. Hoūnsai, der Großmeister der Urasenke fragte einmal: „Können Ausländer den Teeweg verstehen?“ Ich frage dagegen: „Können Japaner dern Teeweg verstehen?“ Nur wenn sie wieder das Staunen lernen!

Im Gegensatz zu Japan liegt bei uns im Abendland das Schwergewicht auf dem Denken und dem Intellekt. Einmal kam ein Japanologe regelmäßig zu mir ins Teehaus und schaute bei den Übungen zu. „Es wird Zeit, dass du auch mit den Übungen beginnst!“ „Das geht nicht! Ich bin Wissenschaftler. Wenn ich selbst übe, verliere ich meine Objektivität!“ 

Dazu kann ich nur sagen, es genügt nicht, zu wissen, wie das Essen schmeckt. Man muss selber essen. Immer wieder neu. Sonst wird man nicht satt.

Hoffentlich kann dieses Buch eine Brücke schlagen zwischen Ost und West. Hier wird gefragt und gedacht. Aber das Fragen entstammt einer langjährigen Praxis. Vielleicht kehrt der Teeweg eines Tages verwandelt wieder nach Japan zurück als ‚Tee und Zen‘. 

Inzwischen gibt es deutsche Professoren an japanischen Universitäten, die über den Teeweg lehren. Einer meiner Schüler, der in Deutschland in Philosophie promoviert hat, unterrichtet an einer Universität in Shanghai. Sein Forschungsgebiet ist der frühe Teeweg und seine Wiederkehr in der Gegenwart. 

Man könnte meinen, dass unsere heutige Epoche viel zu hektisch und gehetzt ist, um sich die Zeit zu nehmen, die Stille des Teeweges zu suchen. Wir haben keine Zeit für solche unnützen Rituale. Wir haben Wichtigeres zu erledigen. 

In Japan erlebte der Teeweg seinen Höhepunkt mitten in kriegerischen Zeiten. Der große Teemeister Zen no Rikyu war Zen – Laienpriester und der Teemeister von Hideyoshi. Zuvor hatte er in den langen Kriegen dem Fürsten Oda Nobunaga als Teemeister gedient. Rikyu war kein weltabgeschiedener Eremit. Wenn Hideyoshi abwesend war, übertrug er ihm das Kommando über die Festung Osaka, einem der wichtigsten strategischen Punkte im Land. Wie gut wäre es, wenn wir Menschen in wichtigen Positionen hätten, die immer wieder die Stille und den Frieden suchen, den der Teeweg schenken kann. 

Der Zen kam aus dem Osten in den Westen. Aber die Erde ist rund. Wenn man immer weiter nach Westen geht, kehrt man eines Tages wieder an den Ursprung zurück.

Trinken wir gemeinsam eine Schale Tee! Dann lass uns zurückkehren in den Alltag!

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