Sommerhitze

Die Hitze in den Hundstagen war in diesem Jahr schon sehr groß. Der alte griechische Dichter Hesiod hat diese Zeit in seinen »Werken und Tagen« besungen:

Wenn zur Blüte die Distel nun kommt, und die schwirrende Grille
aus dem Verstecke des Baums nie lässig das tönende Liedchen
Unter den Schwingen zur Zeit des erschlaffenden Sommers herabgießt,
Dann sind Ziegen bei weitem am fettesten, Trauben am besten,
Weiber verlangender dann, obschon am schwächsten die Männer,
da ja Sirios ihnen das Haupt und die Kniee versenget,
Dass von der Hitze der Leib ganz ausdörrt.

Selbst in der Nacht gibt es keine Erholung, denn die Hitze lastet weiter. In der Sammlung Kokinwakashu aus der Zeit um 1000 in Japan entstanden heißt es:

Kaum habe ich mich hingelegt
in dieser Sommernacht –
da kommt schon mit dem Ruf des Kuckucks
das erste Morgenlicht.

Der Kuckuck heißt in Japan Hototogisu, weil sein Ruf für Japaner wie »Hototo – hototo« klingt. Er ruft – wie auch bei uns – seinen eigenen Namen. Wenn im späteren August die Kuckucksblume, der Hototogisu aufblüht, geraten Japaner in Verzückung, fast so wie bei der Kirschblüte oder den roten Ahornblättern, denn diese Blume verspricht, dass bald die große Hitze vorbei sein wird.

In Italien ist der 15. August der Ferragosto. Die großen Ferien beginnen und alle zieht es unwiderstehlich ans Meer. Darum ist Ferragosto eine der schönsten Zeiten des Jahres.

Aber schon heute am frühen Morgen lag die Sonne hinter einem dichten Dunstschleier verborgen und die Luft duftete schon ein ganz klein wenig herbstlich. Und so ist Ferragosto zugleich die Zeit des Umschlages in den Herbst. Am Wochenende waren wir am Benediktushof zu einem Seminar »Zen und Haiku«. Im Zengarten waren schon die ersten Ahornblätter an den Spitzen rot gefärbt.

Über den Felsen
der erste rote Ahorn.
Bote des Herbstes.

Hier im Myoshinan sind wir fleißig damit beschäftigt, unser Sommerkonzert vorzubereiten. Wir haben uns inzwischen zu der Gruppe Drachengesang zusammeng getan. Drachengesang. Zwei Mitglieder des Drachengesanges, Gerhardt Staufenbiel und Rainer Rabus bestreiten dieses Sommerkonzert mit Shakuhachi, Taiko Trommeln, Gongs und Handpan.
Die Shakuhachi, die japanische Trommel und die moderne Handpan werden die Zeit des Überganges vom Sommer zum Herbst feiern. Es wird auch noch eine echt fränkische Überraschung auf die Zuhörer warten. Damit wird das Programm wieder recht bunt: klassische Stücke der Zen-Shakuhachi, Trommeln, Teezeremonie und Lyrik bieten viel Abwechslung. Im zweiten Teil werden wir den Herbst feiern, der die große Ernte und den Gang in die Stille bringt.

Herbsttag

HERR: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
Und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
Gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
Dränge sie zur Vollendung hin und jage
Die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
Und wird in den Alleen hin und her
Unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

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