Tokyo: Warum man niemals einen Japaner nach dem Weg fragen soll.

Japaner sind sehr höfliche Menschen. Sie helfen gern, aber das schlimmste, was einem Japaner passieren kann, ist es, sein Gesicht zu verlieren.

Fragt man einen Japaner nach den Weg und er kennt sich nicht aus, wird er das neimals zugeben, weil er befürchtet, den Fragenden enttäuschen zu müssen. Und dann hätte er sein Gesicht verloren. Man gibt also bereitwillig Auskunft und schickt den Fremden irgendwo hin. Der wird ohnehin niemals wieder kommen. Aber fürs erste ist man der Peinlichkeit enthoben, sagen zu müssen: „Es tut mir leid, aber ich kenne den Weg nicht!“

Wir wollten ins Suntory Kunstmuseum, das angeblich eine berühmte Sammlung von alten Stellschirmen und Teegeräten zeigt. Die Ausstellung sollte sich im 10. Stockwerk des Suntory-Gebäudes im Stadtviertel Akasaka befinden. Akasaka ist das repräsentative Viertel der Botschaften und der öffentlichen Einrichtungen südlich vom Kaiserpalast. Akasaka zählt etwa 10.000 Einwohner, aber tagsüber befinden sich hier über 97.000 Menschen, die in den Büros und Hochhäusern arbeiten. Direkt gegenüber der U-Bahnstation liegt das Suntory-Gebäude mit der Ausstellung – so hieß es jedenfalls. Als wir dort ankamen und sofort dem Suntory-Gebäude gegenüberstanden, stellt sich heraus, dass heute am Samstag niemand in dem Gebäude war. Aber das Museum sollte doch die gesamte Woche über zugänglich sein? Am Eingang zur U-Bahn war ein Häuschen mit einem freundlichen Polizisten, der auch sofort auf das Suntory-Gebäude zeigte und sagte, dort ist das Museum.  Als er hörte, dass das Gebäude geschlossen ist, war er sehr verwirrt, aber immerhin griff er zum Telefon um sich zu informieren. Freudestrahlend kam er zurück und berichtet, dass das Museum umgezogen ist, und etwa eine halbe Stunde zu Fuß entfernt lag und er erklärte uns den Weg auf einem Stadtplan, der dort angebracht ist. Kann man zwar laufen, aber wir entschlossen uns denn doch, ein Taxi zu nehmen.

„Suntori bijutsukan kudasai!“ Wie aus der Pistole geschossen kam das „HAI!“ – „Aber selbstverständlich!“ Zwischen dem U-bahn Ausgang und dem Suntory Gebäude liegt eine Hochstrasse, die man aber an der Fußgängerampel unterqueren kann und dann direkt vor dem Gebäude steht. Der Taxifahre brauste los, kurvte herum, fuhr über die Überführung, wendete waghalsig, drehte wieder um und stand vor dem Suntory-Gebäude, wo er stolz verkündete: „Koko de! (Hier)!“

Nein, hier nicht, die Sammlung  ist ja inzwischen umgezogen. „Ah soh ka, soh ka! Ach so, ach so!“ Wir zeigten ihm die Richtung die uns der freundliche Polizist angegeben hatte und mit einem militärischem „Hai, wakarimasu! Jawohl, Verstehe!“ brauste der Taxifahrer los – in die falsche Richtung! Dann blieb er stehen und tippte nervös auf seinem Navi herum, bis endlich das befreite „Hai, soh desu ne!“ kam und er endlich, offensichtlich genau im Bilde, wo er hinfahren mußte losbrauste. Er fuhr wie wild um die Kurven, hierhin und dort hin, aber offensichtlich hatte er keinerlei Ahnung, wo er hin sollte. Endlich blieb er stehen und eklärte im Brustton der Überzeugung: „Koko de!“ Nachdem er offensichtlich nicht wusste, wo wir hin wollten, beschlossen wir, den Preis zu zahlen und das Taxi zu verlassen.

Wir hatten inzwischen völlig die Orientierung verloren, aber Gott sei Dank näherte sich ein großgewachsener Mann europäischen Typs, der sich als Holländer entpuppte, der sehr oft geschäftllich in Tokyo gewesen war. Er erklärte uns, dass wir uns inzwischen an der Rückseite des Kaiserpalastes befanden. Na, egal, Suntory hin oder her, besichtigen wir eben den Kaiserpalast, bzw. den öffentlich zugänglichen Teil, der Früher Sitz des Tokugawa Shogunates war.

Aber das Suntory-Museum saß uns noch in den Köpfen. Also noch einmal zu der U-Bahn und zum Stadtplan. Dieses mal laufen wir das! Aber der Maßstab der Karte täuschte doch ziemlich und wir waren schon ziemlich müde vom Laufen. Also neuer Versuch mit dem Taxi. „Suntari bijutsukan? Hai!“ Ah, der kennt sich aus. Aber wieder wendete er sein Taxi und wollte zum Suntory Gebäude fahren.   „Nein! Nicht dort!“ „Ah, soh desu ka! Das andere Suntory!“ Na also, der kennt den  neuen Standort. Ohne sein Navi zu befragen brauste er völlig sicher los und noch dazu in die richtige Richtung. Ohne jeden Zweifel fur er uns durch die Gegend, bis er mit einem völlig sicher geschmetterten „Koko de! Hier!“ entließ und sofort weiter brauste. Und da war es: Suntory Hall! Aber das ist ein Restaurant und nicht das Kunstmuseum. Inzwischen waren wir im Stadtviertel Roppongi angekommen, das berühmt ist für sein Nachtleben, die vielen Musikkneipen und die Musikerszene, in der alle Musikrichtungen der Welt vertreten sind. Weil es das Klischee so will, kam uns ein Schwarzamerikaner entgegen, der sich genauestens im Roppongi auskannte – vermutlich ein Musiker, der hier lebt und arbeitet. Es war noch eine ganze Weile zu Fuß, aber nicht schon wieder ein Taxi!

Endlich kamen wir zum Midtown Tower am Rande von Akasaka und Roppongi.

Midtown Tower

Keine Spur von Suntory Kunstmuseum! Im Erdgeschoß der Dog-Plaza mit allem, was Hund so benötigt: einer Hundeklinik, einem Hunde-Ofuro, einem Hunde-Ryokan und einem Shop mit Kitsch und notwendigen Dingen wie Pullovern, Strickwesten, Hunde-Hakama und so weiter. Aber dann im 6. Stock das Suntory Museum.

Am Eingang junge Damen im Career-lady-look, die freundlich erklärten, dass die Sammlung mit den Stellschrirmen und den Teegeräten leider derzeit nicht zu sehen ist, dafür aber zeitgenössisches japanisches Glas.  Na, für Teegeräte interessiert sich ohnehin niemand in Tokyo.

Aber immerhin gefunden und um einige Erfahrungen reicher! Wenigstens waren wir jetzt auch im Roppongi. Und wir werden nie wieder einem Taxifahre trauen, der militärisch knapp mit einem geschmetterten „Hai! erklärt, dass er ganz genau weiß, wo wir hin wollen. Jedenfalls nicht in Tokyo!

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