Matsuo Bashô - Haiku

Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland
Matsuo Basho

Bashô's "Oku no hosomichi" von 1689 ist sein umfangreichstes, reifstes und wichtigstes "Reisetagebuch" von der letzten Reise, von der er berichtet hat.
Bashô schreibt keineswegs ein Haiku nach dem anderen, wie man es von den modernen Haiku - Sammlungen gewöhnt ist. Er führt ein Tagebuch, in dem er sorgfältig wichtige Ereignisse seiner inneren und äußeren Reise notiert, um dann an der passenden Stelle ein Haiku einzufügen, das nur in diesem Zusammenhang verstanden werden kann.
"Auf schmalen Pfaden" wandernd zog Matsou Bashô durch das Hinterland um Freunde zu treffen und gemeinsam Haiku zu dichten. Die beschwerliche Reise war für Basho kein gemütliches Spazieren gehen auf einer Urlaubsreise. Sie ist für ihn die Übung des stets Unterwegs-Seins und des Abschiednehmens. Die Reise ist seine Lebens-Reise.

"Sonne und Mond, Tage und Monate verweilen nur kurz als Gäste ewiger Zeiten, und so ist es mit den Jahren auch: sie gehen und kommen, sind stets auf Reisen. Nicht anders geht es den Menschen, die ihr ganzes Leben auf Booten dahinschaukeln lassen, oder jenen, die mit ihrem am Zügel geführten Pferden dem Alter entgegenziehen: täglich unterwegs, machen sie das Reisen zu ihrem ständigen Aufenthalt.

Die alte buddhistische Trauer über die Vergänglichkeit zieht sich als Thema durch das gesamte Reisetagebuch. Aber Bashô wäre kein Haiku - Dichter, wenn er sich von der Trauer überwältigen ließe. Als er seine Freunde zurücklässt und die Fähre besteigt, um endgültig alles zurückzulassen, scheint er geradezu von der Trauer überwältigt zu werden.

Meine Kehle schnürte sich zu, als ich plötzlich an die bevorstehenden 3000 Meilen denken musste. Ich stand an der Wegkreuzung der Traum-Illusionen und vergoss Tränen des Abschieds:
    Yaku haru ya
  tori nakiuo no
    me wa namida
    Der Frühling scheidet:
  Die Vögel weinen - selbst den Fischen
    kommen die Tränen.

Trotz aller Trauer und Rührseligkeit: man weiß nicht, ob man weinen oder lachen soll. Die Fische weinen Tränen? Eine traurig - lustige Vorstellung, wie die Tränen der Fische sofort vom Wasser des Flusses hinweggespült werden. Man sieht förmlich die fetten Koi - Karpfen ihre traurigen Köpfe aus dem Wasser recken und die Tränen rinnen unaufhaltsam ihre Kiemen hinab!
Auch Bashôs Pferd geht recht respektlos mit der Vergänglichkeit und Schönheit um:

    Da am Wegrand
  die Hibiskusblüte! - Und schon
    hat sie mein Pferd gefressen.

Aber nicht immer sind die Haiku und die Ereignisse so einfach zu verstehen. Eines der berühmtesten Gedichte ist ohne historisches Hintergrundwissen unverständlich. Als er den Shirane - Gipfel besteigt, notiert er dazu:
    Ishiyama no
ishi yori shiroshi
    aki no kaze
    Weißer als der Stein
auf dem Steinberg ist alles weiß:
    bei diesem Herbstwind - weiß

Die Farbe "weiß" steht für eine abgeklärte Emotionslosigkeit, die Farblosigkeit, wie sie schon im 'Kokin Wakashû' auftaucht. Zu ihr gehört der Herbst mit seinem Wind, der die letzten farbigen Blätter von den Bäumen fegt, aber auch der Herbst des Lebens, wenn die Haare weiß werden.
Unmittelbar vor dem Shirane-Gipfel hatte Bashô den Helm des Sanemori in einem Tempel besichtigt, der dort auf einem Stück Brokat seines Gewandes aufbewahrt wurde. Sanemori kämpfte während des Genpai Krieges ursprünglich auf der Seite der Minamoto, wechselte dann aber zu den Taira. Bei einer entscheidenden Schlacht musste er gegen den eigenen Ziehsohn kämpfen. Sanemori war bekannt für sein langes, weißes Haar, das unter seinem Helm hervorschaute. Damit ihn niemand erkannte, färbte er die Haare schwarz und wurde unerkannt getötet. Erst als sein Sohn den abgeschlagenen Kopf sah, erkannte er den Vater.
Nun lag sein Helm nutzlos in diesem einsamen Bergtempel:

    Muzan ya na
kabuto no shita no
    kirigirisu
    Grausames Schicksal:
Unter jenem Helm sitzt nun
    eine Grille und zirpt
In der Ausgabe der Handbibliothek Dieterich findet sich nicht nur der Japanische Text der Haiku und eine gute deutsche Übersetzung des gesamten Textes. Der Herausgeber G.S. Dombrady hat ausführliche Erläuterungen und Kommentare hinzugefügt, die manche der Haiku erst verständlich machen.
Nicht nur für Haiku - Kenner oder Liebhaber japanischer Lyrik ist dieses Buch eine unerschöpfliche Fundgrube und gehört in jede gut sortierte Bibliothek.

Matsou Bashô
Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland
Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung
Mainz
ISBN 3-97162-002-5
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Sarumino. Das Affenmäntelchen.
Matsuo Basho

Nach dem Basho von seiner letzten beschwerlichen Reise in den Norden Japans zurückgekehrt war, ließ er sich in der Nähe seiner Heimat und Kyôtos nieder. Vermutlich auf der Heimreise hat ihn beim Überschreiten eines Passes ein eisiger Winterregen überrascht. Sein Strohmantel wird ihn kaum geschützt haben, aber der einsame Makaken-Affe am Wegesrand hat sicher noch mehr gefroren. Beide sitzen sich in der nassen Kälte einsam gegenüber und frieren.
   Hatsushigure
saru mo komino wo
   hoshige nari
   Der erste Winterschauer -
ein Strohmäntelchen wünscht sich
   auch der kleine Affe!
Die raue Stimmung der Einsamkeit kennzeichnet Bashô's Spätstil dieser Sammlung.
In dieser letzten Zeit seines Lebens entstand die Sammlung von Haikai, die seine Schüler mit großer Sorgfalt unter seiner Aufsicht zusammenstellten. Die Sammlung enthält Gedichte Bashô's, die nach Jahreszeiten geordnet sind, aber auch als wesentliches Kernstück die im Westen weitgehend unbekannte Kettendichtung, Renku.

Die Sammlung ist mir der selben Sorgfalt von G.S. Dombrady übersetzt und kommentiert worden wie die "oku no hosomichi". Mit den beiden Büchern ist ein kleiner Schatz Japanischer Dichtung in deutscher Sprache verfügbar.

Matsuo Bashô
Sarumino. Das Affenmäntelchen.
Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung
ISBN 3-87162-034-3
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Lafcadio Hearn

Glimpses of Unfamiliar Japan
Lafcadio Hearn Lafcadio Hearn

Der Ire mit griechischer Mutter ist der vielleicht berühmteste Interpret Japans und japanischer Lebensweise. Lafcadio Hearn kam nach Japan und war sofort unsterblich in das Land verliebt. Etwa vier Jahre nach seiner Ankunft in Japan fand er eine Beschäftigung als Lehrer in Matsue, wo er ein altes Samurai-Haus bewohnte. Er heiratete eine Japanerin, wurde 1895 japanischer Bürger und nahm den japanischen Namen Yakumo Koizumi an.
"Glimpses of Unfamiliar Japan" (1894) ist sein erstes Buch über Japan, das noch völlig von der Faszination, die das Land auf ihn ausübte, geprägt ist. Das Buch ist eine Sammlung verschiedener Essay's wie: "My first day in the Orient", "The writing of Kôbô Daishi", die wundervolle Beschreibung seines Gartens in Matsue "In a Japanese Garden", über verschiedene Feste wie das "Bon-Odori" und vieles mehr.
"In einem Japanischen Garten" ist als einziges Stück in deutscher Sprache erschienen. Der Bericht über "Bon-Odori", das Fest zum Gedenken der Toten liegt auf dieser Seite in deutscher Übersetzung vor.
"Glimpses of Unfamiliar Japan" bietet einen wunderbaren Schatz über ein (fast schon?) verschwundenes Japan.

Glimpses of Unfamiliar Japan
Lafcadio Hearn
Charles E. Tuttle Company
ISBN 0-8048-1145-8
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In einem japanischen Garten
Lafcadio Hearn

Deutsche Übersetzung des Essay's 'In a Japanese Garden' aus den "Glimpses"
Manesse-Verlag (Oktober 1990)


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