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Kichizaemon XIV
Schwarze Raku-Schale; 1996
Name: "Shin-Un" - Bewegte Wolken
H.: 12,1 cm; D.: 12,9 / 9,5 cm
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Diese "schwarze" Schale ist in eine ganze Reihe weiterer Schalen einzureihen, die sich sehr weit von der Tradition entfernt haben und die eine völlig eigenständige Entwicklung Kichizaemon's zeigen. Die Schale ist in bildhauerischer Weise wie aus dem rauen Fels geschlagen. Glasuren sind nur noch in Fragmenten vorhanden. Wegen der Rauheit der Oberfläche und der expressiven Kantigkeit des oberen Randes wird sehr schwierig, wenn nicht gar nahezu unmöglich sein, die Schale im Rahmen der Zeremonie mit dem Chakin zu Reinigen. Unbekümmert um die Funktion als Trinkschale stellt sie sich als eigenständiges Kunstobjekt dar. Nicht die Funktion führt die Hand des Künstlers, sondern das Material. Indem er sich ganz dem Material überlässt, versucht Kichizaemon, sein "Ego" zu vergessen.
Der ganz persönliche, von der Tradition losgelöste Ausdruck in den späteren Arbeiten Kichizaemons wird durch die Namensgebung zurückgebunden in die östliche Tradition. Kichizaemon liebt es zunehmend, Namen aus den Chinesischen Klassikern zu verwenden. Der Name Shin-Un 振 雲, "heftig bewegte Wolken" stammt aus dem Daoistischen Klassiker Hui-Nan- Tzu. Ein anderer Name, ebenfalls aus dem Hui-Nan-Tsu ist z.B. Ten-A, Himmlischer Weg (zu den Göttern).
Damit ist die Schale, wie alle anderen Objekte, die in der neueren Zeit entstanden sind, in die Spannung zwischen Ost und West gestellt.
Kichizaemon und die Gegenwartskunst
In den Arbeiten und der Person Kichizaemon wird der Grundkonflikt unseres Zeitalters deutlich sichtbar. Als Repräsentant einer Familie, die ihrer Tradition ungebrochen seit der Momoyama-Epoche, also seit Sen no Rikyû nachgeht, ist er der Tradition verpflichtet. Als moderner Künstler mit westlicher Ausbildung aber hat er gelernt, ein "Ego" zu entwickeln. Zugleich reflektiert er genau seinen Standort. Im Katalog zu einer Ausstellung mit Arbeiten von ihm, die, beginnend in Rom, ihren Weg durch Europa genommen hat, schreibt er seine Gedanken nieder.
"Ich fühle, dass heute Ost und West letztlich näher zueinander gekommen sind.
Ich bin mit einer Dualität in mir konfrontiert zwischen dem Osten - meinem Ursprung, der seit Jahrhunderten kultiviert wurde - und dem Westen, von dem ich gelernt habe, ein modernes Ego zu entwickeln.
Ich kann nicht unmittelbar in den Osten zurückkehren, ebenso wenig, wie ich mich ganz dem Westen überlassen kann. Angesichts dieser Konfrontation muss ich weitergehen, um vielleicht später einmal eine Lösung zu finden, wie ich Licht in beide Seiten bringen kann."
Kichizaemon versucht, die Spannung zwischen diesen beiden Welten auszuhalten und zu leben. Aber auch der Westen, ja unser gesamtes Zeitalter, ist in sich für ihn so etwas wie "schizophren". Es ist ja keineswegs so, dass man sich ohne weiteres in die östliche Tradition fallen lassen könnte, um dort des "Heil" zu finden. Auch der Osten hat seine Wurzeln schon längst verloren.
Je mehr wir nach unserer "Selbst - Verwirklichung" suchen, desto mehr sehnen wir uns, wieder Eins zu werden mit der Natur und dem Kosmos.
"Das gegenwärtige Zeitalter ist in gewisser Weise ein schizophrenes Jahrhundert, in dem wir versuchen, die Essenz unseres Seins von einer neuen Perspektive zu erleben versuchen. Es ist die Suche nach einer Verbindung zwischen dem 'Selbst und der Welt, ein Bemühen, Eins zu werden mit Uns, dem Material, der Natur, ja dem Universum."
Der Künstler versucht, die Spaltung zu überwinden, indem er ganz in seinem Werk aufgeht und sich den Erfordernissen des Materials überlässt. Er lässt sich nicht mehr von der Funktion oder der gewünschten Form leiten:
"Zunächst verwende ich große Sorgfalt auf die Vorbereitung der Arbeit. Ohne irgend eine vorgegebene Vorstellung von der Form der Schale beginne ich zu arbeiten. Beim ersten Schnitt des Werkzeuges lasse ich mich nur vom Zufall leiten. Der zweite und dritte Schnitt folgen. Der Druck meiner Hand wird von einem Gegendruck der Tonerde beantwortet. Dadurch entsteht eine Distorsion und langsam entsteht die Form."
In diesem Spiel zwischen Absicht und Zufall werden die Glasuren und Farben aufgetragen, um dann letztlich dem Feuer die Entscheidung über das entstandene Werk zu überlassen. Sieht man die Arbeiten seines Vaters Kakunyo, so wird deutlich, dass bei Kakunyo das Material, aus dem die Schalen geformt sind, dem Gestaltungswillen des Künstlers unterworfen ist. Die Dekoration ist sorgfältig geplant und mit großer Präzision ausgeführt. Bei Kichizaemon überwiegt der geplante Zufall. Das Material übernimmt die Leitfunktion bei seiner Arbeit.
"Die Absicht ist nicht, mich selbst auszudrücken, indem ich Materialien benutze, sondern mich selbst wieder zu entdecken, untrennbar verbunden mit dem Material und der Natur."
Kichizaemon hat mit seinen Arbeiten den freien Raum der künstlerischen Gestaltung betreten. Letztlich sind es keine Gebrauchsgegenstände mehr, die er schafft, sondern "reine" Kunstwerke, die in sich und für sich stehen. Es ist die Frage, wohin ihn dieser Weg führen wird.
"Wie dem auch sei, getrieben vom Wunsch nach Selbst-Ausdruck, wie ihn die moderne Kunst versteht, verweile ich immer noch auf einem Boden. Dieser Boden allerdings, hat begonnen, unter mir zusammenzubrechen."
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