Tee ist weltweit ein beliebtes Getränk, aber nirgendwo trägt er soviel zum kulturellen
Leben bei, wie in Japan. Hier hat das Zubereiten und Trinken von Tee eine
ästhetische und geistige Bedeutung gewonnen und sich zu einer echten
Kunst und zu einem Übungsweg entwickelt, der stark vom Zen-Buddhismus
beeinflußt wurde.
Die Gäste sitzen, wenn
sie zu einer Teezeremonie eingeladen sind, in einem winzig kleinen Raum
und erfreuen sich in Abgeschiedenheit von der alltäglichen Welt an
der Gemeinschaft mit anderen.
Der Gastgeber hat den kleinen
Raum und den Garten gereinigt und eine Bildrolle aufgehängt. Er hat
das Feuer entzündet, auf dem das Wasser für den Tee erhitzt wird
und ein ausgesuchtes kleines Mahl vorbereitet; alles um die Einladung so
angenehm wie möglich zu gestalten.
Diese Zusammenkunft ist
die äußere Manifestation einer besonderen Sensibilität,
die durch das Üben des Chado, des Teeweges, erlangt wird.
Chado ist die Bezeichnung
für die Kunst des Teebereitens und Teetrinkens, die schon im 16. Jahrhundert
entstand: Cha, der Tee und Dô, der WEG.
Der grüne, pulverisierte
Tee, der bei der Teezeremonie gereicht wird, kam im 12. Jahrhundert durch
Zen- Mönche nach Japan, die von ihren Zen- Studien aus China zurückkehrten.
Zu dieser Zeit wurde der Tee sowohl als mildes Stimulans bei Studien und
Meditationen als auch als Heilmittel benutzt.
Aus diesen Anfängen
haben Teemeister eine Ästhetik entwickelt, von der die japanische
Kultur tief durchdrungen ist.
Die Zen- Mönche, die
den Tee nach Japan brachten, legten die geistige Grundlage des Chado und
die Samurai entwickelten, zusammen mit Mönchen wichtige Regeln für
die Übungsformen des Teeweges. Aber erst das Bürgertum vollendete
im 15. und 16. Jahrhundert die heutige Form des Teeweges.
Es gab besonders einen Teemeister,
der die Ästhetik das Chadô vollkommen als Weg des Lebens verwirklichte.
Er begründete Chado als Weg, das Leben selbst in ein Kunstwerk zu
verwandeln. Dieser Teemeister war Sen Rikyu (1522-1591).
Sowohl in den Künsten
als auch in der Politik war Sen Rikyu eine führende Gestalt seiner
Zeit. Seine ästhetischen Ideale bilden das Herz von Japans Künsten
und Kunsthandwerk und sind das Fundament der besten gesellschaftlichen
Umgangsformen und des Geschmacks.
Der meditative Charakter
des Teeweges macht die Kunst Rikyûs heute auch in der westlichen
Welt zu einem wichtigen Übungsweg, der auch außerhalb Japans
mehr und mehr an Bedeutung gewinnt.
Sen Rikyu faßte die
Grundprinzipien des Chado mit folgenden vier Begriffen zusammen:
Wa, Kei, Sei und Jaku
Wa: Harmonie
Die Harmonie zwischen den
Menschen, zwischen Mensch und Natur, die Harmonie der Teegeräte und
der Art, sie zu gebrauchen.
Kei:
Achtung und Ehrerbietung
Sie wird allen Dingen entgegengebracht
und entsteht aus der aufrichtigen Empfindung des Dankes für ihr Sein.
Sei: die Reinheit
umfaßt die Reinheit
der Dinge und des Geistes.
Jaku:
die Ruhe und der Friede des Geistes, die aus der Verwirklichung der drei
ersten Prinzipien entspringt.
So kam es, daß nicht
nur das Zubereiten und Trinken des Tee, sondern auch die Herstellung des
Teegerätes, die Kennerschaft der reinen und der angewandten Künste,
der Entwurf und Bau von Teehäusern, die Gartenarchitektur, Literatur
u.a. eingeschlossen sind.
Obwohl vierhundert Jahre
vergangen sind, seit Sen Rikyu durch die Straßen Kyotos ging, ist
die Stadt noch heute reich an seinem Vermächtnis.
Etwa 15 Minuten vom Kaiserpalast
entfernt, liegen die Niederlassungen von zwei Zweigen der Sen- Familie.
Eine von ihnen ist der Sitz von Soshitsu Sen XV, dem Nachkommen Rikyus
in der 15. Generation. Er ist der gegenwärtige Großmeister der
Urasenke Teeschule.
Das Haus Urasenke besteht
aus Teehäusern unterschiedlichen Stiles. Die meisten von ihnen sind
von der japanischen Regierung zum wichtigen kulturellen Gut ernannt worden.
Eines dieser Teehäuser wird "Konnichian" genannt. Diese kleine Teehaus,
von Sen Sotan, dem Enkel Sen Rikyus errichtet, wurde zum Symbol der Urasenke-Tradition
des Chado. "Yuin", "Mushikiken" und "Totsutotsusai" sind die Namen anderer
Teehäuser bei Urasenke; hier lebt der Geist Sen Rikyus weiter.
Dem Haupttor der Urasenke
gegenüber liegt der Chado Kaikan, wo der größte Teil des
täglichen Unterrichts erteilt wird, und wo sich junge und alte Schüler
aus aller Welt versammeln, um sich im Chado zu üben. Westlich davon
erhebt sich ein sechsstöckiges Gebäude, das Ausstellungsräume,
Auditorium, Bibliothek, Forschungseinrichtungen, eine Meditationshalle
und die Büros der Urasenke enthält.
Heutzutage, wo moderne Hilfsmittel
den Menschen von der manuellen Arbeit befreien, erscheint die Zeit und
Mühe, eine Schale Tee zu servieren, als zu aufwendig.
Aber die Prinzipien des
Chado, nach denen der Tee bereitet wird, bilden ein Ritual, das entstand,
um das Bedürfnis der Menschen nach innerer Ruhe zu erfüllen.
Es ist ein Ritual der Einfachheit, in dem alle den "Frieden in einer Schale
Tee" finden können. |