Ursprünge des Kriecheinganges

Die Boote von Hirakata

Im Chado Shiso Densho, einem Werk über die Überlieferung der "Vier Gründer des Teeweges" Sen Rikyû, Furuta Oribe, Kobori Enshu und Hôsokawa Sansai heißt es:
Die Boote von Hirakata
Die Boote von Hirakata
Man erkennt die niedrigen Eingänge, die in den überdachten Bootsbereich führen

"Er (Rikyû) begann, sich mit dem 'kuguri' 潜り auf den Booten von Hirakata in Ôsaka zu befassen. Er fand, daß sie seinem Konzept des wabi vollkommen entsprechen und er begann, den kuguri als Eingang für kleine Teeräume zu nutzen."

Die kleinen überdachten Boote dienten dem Personenverkehr auf dem Fluß. Sie haben sehr niedrige überdachte Bereiche, die gegen die heftigen Regenfälle oder die pralle Sonne gerade eben einen Schutz bieten. 'Diese Bereiche sind so niedrig, daß man gerade darin sitzen konnte. Fast unmittelbar über der Wasserebene sind kleine Fenster, so daß man die Reise über das Wasser unmittelbar miterleben konnte. Die Eingänge in diesen Bereich waren winzig klein und man konnte nur geduckt hineingelangen.

Boote in Arashiyama Ähnliche Boote fahren noch heute zum Vergnügen auf dem Oi-Fluß in Arashiyama, dem westlichsten Stadtteil Kyôto's, der seine Ländlichkeit bewahrt hat. Früher wurden auf diesen kleinen Boote die Menschen befördert, aber auch Gräser, Heu und Brennholz aus den Bergen in die Stadt geholt.
Das Boot mit seinen zerbrechlichen Wänden schützt den Menschen vor dem fremden Element. Aber dieser Schutz ist trügerisch.

Arthur Schopenhauer hat dies wohl in seinem Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung" am treffendsten ausgedrückt:

"Wie auf dem tobenden Meer, das, nach allen Seiten unbegrenzt, heulend Wasserberge erhebt und senkt, auf einem Kahn ein Schiffer sitzt, dem schwachen Fahrzeug vertrauend; so sitzt, mitten in einer Welt voll Qualen, ruhig der einzelne Mensch, gestützt und vertrauend auf das principio individuationis."

Jede Reise ist ein Aufbruch ins Unbekannte, ein Hinübergehen ins etwas Neues. Aber eine Bootsfahrt macht ganz besonders die Gefährdung auf der Reise deutlich. Im Zitat Schopenhauers ist die Reise mit dem Boot nicht irgend eine Reise, sondern die Lebens- und Schicksalsreise des Menschen schlechthin. Der kleine und enge Eingang auf den Booten, der kuguri ist die Pforte, durch die einige Menschen gehen, um gemeinsam im brüchigen Schutz des Daches die Reise zu bestehen.
Der Nijiriguchi führt nicht nur in den Teeraum, sondern auf eine gefährdete Reise ins Innere, zum Ursprung.

Sôtan's Schiffsboden - Decke

Kanuntei
Sôtan's Teeraum Kan'ûntei
Über den bemalten Schiebetüren die Deckenvertäfelung in der Form eines umgedrehten Bootes (funazoko tenjô).
Sen Sôtan baute in der Nachfolge Rikyû's einen Shôin Teeraum 'Kan'ûn Tei' 寒雲亭, "Kalte Wolke Pavillon" der eine singuläre Deckenvertäfelung aufweist. Der Raum ist als 8 Tatami-Raum sehr groß. Er weist einen Schreibplatz wie ein formaler Shôin-Raum auf. Dennoch hat Sôtan einige Elemente in den Raum integriert, die seinem wabi - Geschmack entsprechen. Am auffälligsten ist die Deckenvertäfelung. Kein einziger "großer" Teeraum und kein Shoin-Raum weist eine geteilte Deckenvertäfelung auf. Die Decke mit verschiedenen Ebenen ist seit Rikyû nur für kleine Sôan-Räume üblich.
Trotz der Größe des Raumes entsteht so der intime Eindruck einer kleinen "Grashütte". Es gibt keine Aufzeichnungen über die Entstehung dieses Raumes, so daß nicht mehr zu sagen ist, warum Sôtan diese Schiffsbodendecke entworfen hat. Vielleicht aber folgte er dem Konzept Rikyû's, nach dem der Teeraum eine gefährdete Reise ins Innere ist. Für einen Kriecheingang war Kan'untei zu groß. Aber die Erinnerung an die Schiffsreise wird durch die Decke gewahrt

Wie sehr er auf dem wabi - Geschmack des Raumes bestanden hat, zeigt eine Episode über die Entstehung der Malereien auf den Schiebetüren. Als der Raum fertiggestellt war, wollte Kanô Tanyu unbedingt die Türen bemalen. Sôtan fand aber, daß in einen wabi-Raum keine Malerei gehört: nur ein stolzer und formaler Raum kann diesen Prunk vertragen. Eines Tages war Sôtan abwesend. Kanô nahm seine Malutensilien und bemalte heimlich und in aller Eile die Schiebetüren. Als er hörte, daß Sôtan zurückkam, vollendete er hastig die Malerei auf der letzten Tür. Als Sôtan die frische Malerei entdeckte, wurde er zunächst wütend, sah aber dann, daß den Gestalten die Daumen auf der falschen Seite gemalt waren, ja eine der Figuren hatte gar 2 Daumen an einer Hand. Diese "Fehler" brachen die Formalität des Raumes und Sôtan ließ die Malerei gelten.


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