DER TEEWEG IM NOVEMBER

Tsukihi wa hakutai
no kakaku ni shite
yukikau toshi mo
mata tabibito nari.
Fune no ue ni
shogai wo ukabe
uma no kuchi wo
toraete oi wo
mukauru mono wa,
hibi tabi ni shite
tabi wo sumika to su. 
Sonne / Mond:
unterwegs seit hunderten Generationen
- auch die ziehenden Jahre sind Reisende.

So auch die, die ihr Leben in Booten verbringen,
oder die Zügel des Pferdes in der Hand
dem Alter entgegen ziehen:
das Reisen: ihr einziger Aufenthalt
- Tag für Tag.

Mit diesen ergreifend schönen, im japanischen wunderbar rhythmisierten Worten beginnt die Dichtung “Oku no hosomichi” - "Die Reise auf schmalen Pfaden durch das Hinterland" des Haiku - Dichters Bashô.
Tsukuhi - Mond und Sonne - sind sowohl der Mond und die Sonne selbst, die in ihren Wandelgang am Himmel ziehen als auch die Monate und Tage. Sie ziehen ihre Bahnen seit ‘Haku-dai‘, hunderten Generationen. Aber dies ist ein Synonym dafür, dass sie schon immer und auch in Zukunft weiter ihre Beständigkeit nur im steten Reisen haben.
Auch die Menschen sind stets und beständig auf der Reise. Die einen schaukeln auf Booten, die anderen führen das Pferd am Zügel. Beide meinen, sie hätten ihr Leben fest am Zügel, so wie man das Pferd führt. Aber die Reise führt unaufhaltsam dem Alter und dem Ende zu.
Für Basho ist die Reise eine Lebensform, aber sicher ist es nicht nur die tatsächliche Reise, zu der er aufbricht und die seine letzte Reise werden sollte. Das ganze Leben ist nichts als eine Reise, in der wir langsam dem Alter entgegen ziehen. Jetzt, im Herbst, der Zeit der fallenden Blätter spürt man die Trauer aber auch die Schönheit, die der Vergänglichkeit innewohnt und wir sehnen uns nach Wärme und Geborgenheit.
Aki chikaki
kokoro no yoru ya
yo jo han
Der Herbst kommt heran.
Das Herz erfüllt von Sehnsucht:
Viereinhalb Matten

Die viereinhalb Matten des Teeraumes vermitteln Bashô die ersehnte Geborgenheit und Wärme, so wie wir auch den Tee in der Stille der viereinhalb Matten genießen, ganz besonders aber im Spätherbst und Winter.
Der Herbst ist eine wunderbare Zeit des Reisens aber auch des Abschiednehmens.
Auch Basho hat in dieser Jahreszeit seine letzte Reise angetreten. Am 12. Tag des 10. Monats verließ er diese Welt. Aber noch kurz vor seinem Tod schrieb er eines seiner letzten Haiku:
Tabi ni yan-de
yume wa kare no o
kake-meguru.
Krank auf der Reise
wandern die Träume dennoch
über dürres Feld.

Das Feld ist abgeerntet und dürr. Aber Bashô's Träume und Hoffnungen wandern noch kurz vor dem Tod bis ans Ende seines Lebens über dieses dürre, abgeerntete Herbstfeld. Die Hoffnung und die Sehnsucht bleiben uns bis an unser Ende.

Programm im Myôshinan:

  • Meditationen mit der Shakuhachi
    Im Nebelmonat November, der ja auch den Toten gehört, wollen wir in einem Konzert mit der Zen-Shakuhachi, der Flöte der Zen - Mönche über die Themen des Herbstes und der Lebensreise bis zum Tod meditieren. Zu den traditionellen Shakuhachi - Stücken, die bis auf die Zeit von 900 n. Chr. zurückreichen, werden Texte aus der ostasiatischen Tradition, aber auch aus unserem abendländischen Kulturkreis gelesen. Das soll aber keineswegs "Herbstdepressionen" auslösen. Unser Dichter Hölderlin schrieb über die Tragödien des Sophokles:

    Viele versuchten umsonst das Freudigste freudig zu sagen,
    Hier spricht endlich es mir, hier in der Trauer sich aus

    Anmeldung zu dem Konzert über die VHS Eckental, Kurs Nummer: 062. Telefonische Anmeldung über: 09126/903-224.
    Termin: Samstag, 20:00 - 21:30 Uhr 14.11.2009 in Eckental.
     
  • Griechenland Frühjahr 2010
    Vorher zieht es uns aber auf die Reise in den sonnigen Süden zu den Ursprüngen unserer Kultur nach Griechenland. Dort werden wir nicht nur die Akropolis und das neue Museum, sondern auch Mykene und Delphi besuchen. Vielleicht hilft uns ja das Orakel dabei, vorauszusehen, wer sich für unsere geplante Griechenlandreise im Frühjahr 2010 anmelden wird.
     
  • Japan Herbst 2010
    Das Jahr 2010 ist zwar anderweitig berühmt geworden, für das Myoshinan wird es aber scheinbar ein Reisejahr, denn im Herbst zur Zeit der Laubfärbung zieht es uns wieder nach Japan. Wir werden wieder unseren Hauptstandort in der alten Kaiserstadt Kyoto haben, aber von dort aus werden wir immer wieder für ein oder zwei Tage in das Land ausschwärmen und die schönsten und wichtigsten Plätze besuchen. Wer Lust hat mitzureisen, sollte sich zu dieser Japanreise im Herbst frühzeitig anmelden, denn erfahrungsgemäß wird es schwierig, in dieser Zeit (Ende Oktober, Anfang November) in Kyoto Unterkünfte zu finden. Unverbindliche Anmeldung möglichst bis spätestens Anfang Januar 2010
     
  • Kaiseki Seminar.
    Wir lernen den Umgang mit dem speziellen Geschirr, wie wir es in der Teezeremonie verwenden, das Zubereiten und das richtige Servieren des Essens. Am zweiten Tag werden wir dann ein formelles Übungs-chaji abhalten. Hier wird nur das Essen serviert, die eigentliche Teezeremonie werden wir an diesem Wochenende nur am Abend durchführen. Das Seminar ist auch für diejenigen geeignet, die nicht den Teeweg studieren, aber an der japanischen Kunst der Gastlichkeit und des Essens interessiert sind.
    Termin: 28. / 29. November. Bitte rechtzeitig anmelden. Es sind nur noch wenige Plätze.
     
  • Philosophisch-literarischer Gesprächskreis: Abenteuer Philosophie
    Es ist nun schon Tradition im Myoshinan, dass wir uns im Winter an zwei Sonntagen im Monat zu einem Gesprächskreis treffen. Bei uns gilt das philosophische Fragen oft als "theoretisch". In den jüdischen "Sprüchen der Väter" heißt es, daß ein unwissender Mensch nicht fromm sein kann. Fromm sein heißt aber, das das Wissen in die Lebenspraxis umgesetzt werden muss, sonst ist es nutzloses Wissen. Im Talmud gibt es eine interessante Diskussion darüber, ob das Lernen oder das Tun wichtiger ist. Diese Diskussion endet damit, dass Lernen wichtiger ist, da es zur Handlung führt.
    Auch in der traditionellen chinesischen daoistischen Sicht des Menschen kann es keinen vollkommenen Menschen geben, der nicht philosophisch nachdenkt. Erst, wenn wir über uns und unser Lebens nachdenken, und uns selbst verstehen, können wir als ein vollkommener und runder Mensch leben.
    Der Shakyamuni Buddha wurde einmal gefragt, woher die Welt kommt und wohin sie vergeht, woher der Mensch kommt und wohin er vergeht und was der Sinn des Lebens sei. Buddha lehnte es ab, auf diese Fragen zu antworten: "Das Leben ist Leiden. Die einzige sinnvolle Frage, die dich in deinem Leben weiter bringt, ist man das Leiden beenden kann. Die Frage nach der Herkunft der Welt oder des Menschen oder dem Sinn des Lebens bringt nichts zur Lösung deines Leiden. Also habe ich darüber nie gesprochen!"
    In diesem Sinne sind unsere philosophischen Gespräche immer auf dem Hintergrund der Lebens - Praxis zu sehen. Der erste Gesprächstermin ist am Sonntag, den 15. November. Beginn: 15.00 Uhr. Bitte Anmelden.
     
  • Auf der Teewegseite hatte es früher ein Forum gegeben, dass leider wegen technischer Probleme und aus Sicherheitsgründen eingestellt werden mußte. Wir haben nun ein neues Forum programmiert und hoffe auf rege Beteiligung mit Fragen, Anregungen und Beiträgen nicht nur zum Teeweg, sondern zur japanischen Kultur allgemein. Aber auch philosophische und praktische Themen sollen diskutiert werden können. Wir freuen uns über jeden, der mit diskutieren will.



autor: g.staufenbiel   | © myōshinan chadōjō / teeweg.de