Honrai Mu ichi motsu - Im Ursprung nicht EIN DING.

Mu ichi motsu   mi wa kore bodaiju
kokoro wa meikyôdai no gotoshi
jiji ni tutomete hosshiki shite
jin'ai wo hikashimuru nakare

Unser Leib ist wie der Baum, an dem die Frucht der Erleuchtung wächst,
und unser Herz ist wie ein klarer Stand - Spiegel,
der die Erleuchtung spiegelt.
Jederzeit soll man ihn pfleglich putzen,
damit sich kein Staub darauf setzt.

Gyokusen Jinshû (um 700)  

bodai moto ki naku
meikyô mata dai ni arazu
honrai mu ichi motsu
izure no tokoro ni ka jin'ai wo hikan ya

Im Grunde der Wahrheit kein Baum,
klar leuchtender Spiegel braucht keinen Ständer,
im Ursprung nicht ein Gegenstand
wo könnte sich denn da Staub und Schmutz absetzen?

Daikan Enô ( 6. Patriarch (638 - 713)
(Antwort auf Gyokusen Jinshû)


Das Kôan

本来無一物
honrai Mu ichu butsu
Im Ursprung nicht EIN DING

nach der anderen Lesung nicht "butsu", sondern "motsu" - Ding, Sache, Seiendes.
.
Die Lesung von 物 als "motsu" wird gewählt, um die Verwechslung mit "butsu" - Buddha zu vermeiden.
In den Ursprung (zurück-) oder eingekehrt, hört die Unterscheidung auf. Im Dao De Jing heißt es:

In der Welt erkennen alle
Schönes als schön.
Schon gibt es häßliches.

Alle erkennen, was taugt,
schon gibt es Untaugliches.

Huineng, oder japanisch: Daikan Eno geht von der Erfahrung des EINS aus. Hier gibt es nicht mehr Gut oder Schlecht, Schön oder Häßlich. Der Zustand des "Erleuchteten" unterscheidet sich in keiner Weise vom Zustand des einfachen Bauern: man "ißt, wenn man hungrig ist, man schläft, wenn man müde ist". Nach dem Erwachen, bin ich der selbe Tor wie vorher. Es macht mir lediglich nichts mehr aus! Das Suchen nach dem EINS - sein ist vorbei. Wie sieht ein Mensch mit Satori aus? Wer sagt denn, daß ein Solcher heutzutage nicht den ganzen Tag vor dem Computer sitzen kann?
Der einfache Huineng, der nicht einmal lesen oder schreiben kann, hat diesen Zustand vollkommen verwirklicht, nicht jedoch sein von Ehrgeiz und Selbstzweifeln erfüllter "Gegner" Gyokusen.

Huineng's Berufung zum Goso

Das Kôan ist in eine erschütternde und rührende Geschichte von Neid und Mißgunst, aber auch von Fürsorge und Größe eingebettet. 

Der chinesische Zen-Meister Huineng, japanisch Eno (638 - 713) erzählt sein Leben in einer eigenen "Sutra", der Dan-kyo Sutra.
Er war in Südchina geboren worden. Sein Vater war früh verstorben, so daß Huineng gezwungen war, den Lebensunterhalt für sich und seine Mutter zu verdienen, indem er Brennholz sammelte und verkaufte.

Als er eines Tages in der Stadt war, um Holz zu verkaufen, hörte er einen Mönche eine Sutra rezitieren. Schlagartig erkannte er, daß dies sein Weg war. Er erkundigte sich, wo der Mönch herkam und er beschloß, sofort in den Norden Chinas aufzubrechen, um zu dem Meister Hong'ren zu gehen.

Als er sich Hong-'ren vorstellte, beschimpfte dieser ihn als südlichen Barbar, der noch nicht einmal lesen und schreiben könne und schickte ihn als Hilfskraft in die Küche.

Kurze Zeit darauf beschloß Hong'ren, das Dharmasiegel weiterzugeben und sich zurückzuziehen. Er gab allen Mönchen bekannt, wer das beste Lehrgedicht schreiben könne, solle sein Nachfolger werden.
Der äußerst gelehrte Klostervorsteher Gyokusen Jinshû, von dem alle erwarteten, daß er die Nachfolge erhalten würde, quälte sich lange Zeit:

"Schreibe ich das Gedicht, werden alle denken, daß ich mich nach dem Amt dränge, schreibe ich das Gedicht nicht, wird ein anderer das Amt erhalten!"

Nach vielen Versuchen, bei denen er sich durchaus unsicher war, den rechten Ton getroffen zu haben, schrieb er nachts sein Gedicht an die Wand des Klosters:

mi wa kore bodaiju
kokoro wa meikyôdaino gotoshi
jiji ni tutomete hosshiki shite
jin'ai wo hikashimuru nakare

Unser Leib ist wie der Baum, an dem die Frucht der Erleuchtung wächst,
und unser Herz ist wie ein klarer Stand - Spiegel,
der die Erleuchtung spiegelt.
Jederzeit soll man ihn pfleglich putzen,
damit sich kein Staub darauf setzt.

Er dachte sich: "Wenn der Meister das Gedicht gut findet, kann ich sagen, daß ich der Verfasser war, findet er es nicht gut, werde ich mich nicht zu erkennen geben!"

Das gesamte Kloster geriet in Aufregung über dieses wunderbare Gedicht, Hong'ren lobte es und Gyokusen gab sich als Verfasser zu erkennen. Hongr'en hatte aber noch eine Kleinigkeit auszusetzen, weil das Gedicht noch nicht das vollkommene Erwachen zeigt.

Huineng hörte in seiner Küche von der ganzen Aufregung. Weil er aber nicht lesen konnte, ließ er sich nachts an die Wand mit dem Gedicht führen. Ein kaiserlicher Schreiber las ihm das Gedicht vor. Huineng meinte, hier fehle noch eine ganz wesentliche Aussage und er bat den Schreiber, für ihn folgendes Gedicht an die Wand zu schreiben:

bodai moto ki naku
meikyô mata dai ni arazu
honrai mu ichi motsu
izure no tokoro ni ka jin'ai wo hikan ya

Im Zentrum der Erleuchtung ist kein Baum,
klarer Spiegel - kein Ständer,
im Ursprung nicht ein Gegenstand
wo könnte sich denn da Staub und Schmutz absetzen?

Hong'ren bringt Huinen zum Boot, damit er fliehen kann
Hong'ren bringt Huinen zum Boot,
damit er fliehen kann
Als Hong'ren von dem neuen Gedicht hörte, eilte er sofort dorthin. Er ließ Huineng holen und beschimpfte ihn: "Du ungebildeter Barbar, wie kannst Du das kostbare Gedicht Gyokusen's verderben! Geh sofort wieder zurück in deine Küche!" und er ließ das Gedicht Huinengs wieder entfernen.

In der Nacht kam Hong'ren heimlich in die Küche zu Huineng. Er sagte zu ihm:
"Ich habe vom ersten Augenblick, als ich dich sah, gewußt, daß du mein Nachfolger sein wirst. Hier im Kloster herrscht Neid und Eifersucht. Ich habe dich in die Küche geschickt, weil du sonst in Lebensgefahr schwebst."

Er übergab ihm nach einem letzten Lehrgespräch das Dharmasiegel, das Bettelgewand und die Bettelschale Shakyanuni's. Nur wer im Besitz dieser Insignien war, galt damals als rechtmäßiger Nachfolger Buddha's.
Besorgt um das Leben Huineng's brachte der 5. Patriarch den jetzt 6. Patriarch heimlich auf Schleichwegen an den Fluß und empfahl ihm, in seine Heimat zu fliehen, weil er hier im Norden in Lebensgefahr schweben würde.
Tatsächlich verfolgten ihn einige seiner Mitmönche, so daß er immer wieder in Lebensgefahr war. Er überlegte sich, daß Bettelgewand und Schale Shakyamuni's nur äußere Merkmale und Insignien waren, die in keiner Weise darüber entschieden, ob der Besitzer den wahren Geist verwirklicht hatte. Deshalb wartete er auf seinen ärgsten Verfolger, um ihm diese Insignien zu überreichen. Dieser war aber von der Geste so erschüttert, daß er von seinem Haß und Neid erwachte und der erste Schüler Huineng's wurde. Später zerstörte Huineng das Gewand und die Schale, damit niemals mehr am Besetz äußerlicher Insignien die Legitimation für die Nachfolge abgemessen werden kann: nur noch das eigene Herz soll zählen!

Huineng reformierte den Zen später so sehr, daß man ihn mit Fug und Recht als den eigentlichen Gründer des Zen bezeichnen kann.
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