Prinz Genji und der Duft
 

Duft der Gewänder und Kimonos

satsuki matsu
hanatachibana no
ka o kageba
mukashi no hito no
sode no ka zo suru
Den Duft der Mandarinenblüte
die auf den fünften Monat wartet
riechend:
Erinnerung an einen Menschen
aus längst vergangenen Zeiten.
Kokinwakashu

  Die Verwendung von Duft und Räucherwerk wird im Genji Monogatari sehr ausführlich beschrieben. Damals war es üblich, die Gewänder mit Räucherwerk zu präparieren. Je nach Stand wurden dabei Duftstoffe von unterchiedlichem Wert benutzt. Besonders kostbar ist der Duft im Gewand des Prinzen Genji selbst. Der kostbare Duft, der den Ärmeln seines Gewandes entströmt, füllt armselige kleine Räume.
Behandeln eines Kimono mir Räucherwerk
Unter dem Kimono:
eine Schale mit Wasser
darauf der Ko-Ro mit dem Räucherwerk
Als er seine ehemalige Pflegemutter, die nun Nonne geworden ist am Krankenbett besucht, "erfüllte der Duft seiner Ärmel, mit denen er sich die Tränen aus den Augen wischte den ganzen Raum so stark, dass es fast zu eng erschien". Der Duft aus den Gewändern ist so stark, dass er noch an Genji haftet, als er, um nicht erkannt zu werden in fremden Gewändern die Dama Utsusemi aufsuchte. Utsusemi schläft fest,als Genji heimlich den Raum betritt. Aber der "prinzliche Wohlgeruch, der Genji noch immer anhaftete, erreichte das Bett" so dass Utsusemi aufwacht.
Wenn Genji eine unbekannte Dame trifft, so kann er ihren gesellschaftlichen Rang an der Art des Duftes ihrer Gewänder einschätzen. Der Duft ihrer Ärmel entströmt sogar dem Papier, auf das sie eine Botschaft für Genji geschrieben hat.

Auch im Kokinwakashû, der Sammlung von Gedichten aus dem 10 Jahrhundert spielt der Duft der Ärmel einer geliebten Person eine große Rolle.
yado chikaku
ume no hana ueji
ajikinaku
matsu hito no ka ni
ayamatarekeri
In der Nähe meines Hauses
will ich keinen Pflaumenbaum pflanzen
verwechseln würde seinen Duft ich nur
mit dem des Menschen
auf den ich vergeblich warte.
Der Duft der Blüten ruft die Erinnerung an einen Menschen hervor, der seine Ärmel mit dem entsprechenden Duft präpariert hat. Der Duft spricht sehr Tiefe Schichten im Menschen an. Der Dichter dieser Verse könnte den Duft der Pflaumenblüten nicht ertragen, weil sie unmittelbar die Sehnsucht nach einem fernen Menschen wachruft. Anders als andere Sinne erreicht der Duft unmittelbar das Gemüt, noch bevor das Bewußtsein oder das Denken eingeschaltet werden. Darum werden auch oft ganz alte Erinnerungen durch einen ganz bestimmten Geruch wachgerufen.
iro yori mo
ka koso aware to
omôyure
ta ga sode fureshi
yado no ume zomo
Mehr noch als ihre Farbe
ist es ihr Duft,
der mich so ergreift
wessen Ärmel denn hat sie berührt,
die Pflaumenblüte hier im Haus
Die Duftstoffe hatten damals wie heute einen beträchtlichen Preis, so dass sich die verschiedenen Gesellschaftsschichten durch den jeweils verwendeten Duft unterschieden. Die teuersten Dufstoffe konnten sich nur die höchsten Gesellschaftsschichten leisten und auch nur diese Schichten konnten sich diese Stoffe beschaffen, die aus Korea oder China importiert wurden.

  Man behandelte die Kimonos mit Duftstoffen, die auf einem speziellen kleinen Ofen, dem Ko-ro über Holzkohle erhitzt wurden. In dem Ko-Ro liegt in einem Bett aus grob gesiebter Asche ein brennendes Holzkohlenstück.
Kimono Räucheröfen (Ko - Ro)
Darüber liegt das Räucherwerk über einem kleinen Blättchen aus Glimmer. Dieses Glimmerblättchen verhindert, dass zu viel Hitze an das Räucherwerk abgegeben wird, das dann zu schnell verbrennen und unangenehme Gerüche abgeben würde. Kleine Blättchen aus Sandel- oder Adlerholz etwa wurden auf die Holzkohle gelegt und gaben ihren Duft an den darüber liegenden Kimono ab.

Der Ko-Ro zum Räuchern von Kimono ist mit einem gewölbten Gitter abgedeckt, das verhindert, dass der Stoff des Kimono einer zu starken Hitze ausgesetzt ist und Brandflecken bekommt.

Diese Duftstoffe konnten exotische Hölzer, meistens aus Indien oder den angrenzenden Ländern sein. In Japan selbst gibt es keine stark duftenden Hölzer. Die Duft-Hölzer wurden damals nicht direkt aus den Herstellerländern importiert. Sie kamen auf dem Weg über Korea oder China nach Japan.Als Genji die Einweihungsfeier für seine Tochter vorbereitet, sucht er geeignetes Räucherwerk und Dufthölzer aus. Aber

als er die die Arten,die neulich von Statthalter von Tsukushi gesand worden waren prüfte, kam er zu dem Schluss, dass die neuen Einfuhren weit hinter dem zurückblieben, was früher ins Land gelangt war. Er ließ die Vorratskammern im Nijo-in öffnen und holte alle alten chinesischen Wohlgerücher hervor, die er finden konnte, undließ sie in seinen Palast schaffen 'Mit den Wohlgerüchen ist es wie mit den Stickereien und dem Brokat. Die alten sind weit besser, als alles, was heute verfertigt wird.'

Mischen von Düften

Die ausführlichste Schilderung der Verwendung von Düften findet sich im 32. Kapitel des Genji Monogatari.

Einkleidung eines Mädchens
zur Palastzeremonie
  Genji und Murasaki sind mit den Vorbereitungen der Gewandzeremonie der Prinzessin Akashi beschäftigt, die nach dieser Zeremonie in den Palastdienst eintreten soll. Gleichzeitig soll die Zeremonie des Hosenanlegens - die Mannbarkeitsfeier - für den 13 jährigen künftigen Tronfolger stattfinden. Um sich die Zeit zu vertreiben, aber auch um die Zeremonien entsprechend würdig vorzubereiten und zu gestalten, beschäftigen sich die Beiden damit, Räucherwerk zu mischen. Man verwendete nicht nur kleine Stückchen von einzelnen Dufthölzern sondern stellte Mischungen aus den verschiedensten Hölzern, Kräutern und Gewürzen her. Genji unterzieht dabei die einzelnen Zutaten einer genauen Prüfung:

Gegen Ende des ersten Monats, hatte Genji wenig öffentliche oder persönliche Pflichten und so überprüfte er das Räucherwerk, das bei der Einweihung verwendet werden sollte. Er nahm zunächst die Arten vor, die neulich vom Statthalter von Tsukushi in die Hauptstadt gesandt worden waren, und kam bald zu dem Schluß, daß die neuen Einfuhren weit hinter dem zurückblieben, was früher ins Land gelangt war. Er öffnete daher seine Vorratskammern im Nijô-in und holte alle alten chinesischen Wohlgerüche hervor, die er finden konnte, und ließ sie in seinen Neuen Palast schaffen. „Mit Wohlgerüchen", sagte er, "ist es genau so, wie mit Stickereien und gewebtem Brokat. Die alten sind von weit besserer Arbeit als alles, was heutzutage verfertigt wird." ... Er nahm Räucherwerk aus alter und neuer Zeit, verteilte es unter den Damen und bat darum, beide Arten miteinander zu mischen.

Herkunft der Dufthölzer
Genji bittet die Damen, das alte und das neue Räucherwerk zu mischen, weil er nicht genug von den kostbaren alten Importen besitzt und diese daher nicht ausreichen würden, um die Düfte in ausreichender Menge zu mischen. Einer der kostbarsten Düfte war wohl das Adlerholz, jap. Jinko. Jinko besteht aus dem Holz eines tropischen Baumes, der von einem Pilz befallen wurde. Der Baum wehrt sich gegen den Pilz, indem er Harz absondert, das den Pilz einschließt. Der Pilz und das Harz verschmelzen in einem Fermentationsprozess. Diese Fermentation macht den Duft umso intensiver, je länger die Fermentation dauert. In der frühen Zeit hatte man das Wurzelholz eines längst abgestorbenen Baumes ausgegraben. In dieser Wurzel war die Fermentation so weit fortgeschritten, dass ein unvergleichlich intensiver Duft entstand. Dieser Duft verliert sich nicht etwa durch die Lagerung, er wird nur noch immer intensiver. Daher schätzte Genji die alten Importe als weit wertvoller ein als die neuen. Später wird Genji seine fertigen Mischungen noch am Ufer der Bewässerungsgräben eingraben lassen, damit die Düfte in der feuchten Atmosphäre weiter fermentieren und reifen können. Heute ist entsprechend altes Adlerholz weitaus teurer als die gleiche Menge Gold.

RANJATAI - Nationalschatz
Jinko - Adlerholz
Das Nihon Shoku, die "alten Chroniken Japans" berichten, daß im sechsten Jahrhundert ein Stück Jinkô am Ufer der japanischen Insel Awaji angeschwemmt wurde. Als man das Holz verbrannte, entströmte ihm ein wunderbarer Duft. Der Prinz von Awaji erkannte den hohen Wert des Holzes als Räuchermittel. Seit der Zeit wurde das Adlerholz in Japan als wichtiger Bestandteil von Räucherwaren eingesetzt. Es existiert sogar heute noch ein ca 11 kg schweres Stück Adlerholz, das der Gemahlin Kômyô des (abgedankten) Tennô Shômu bei der Augenöffnungszeremonie des großen Buddha in Nara im Jahre 756 als Geschenk übergeben wurde. Dieses Adlerholz gehört heute noch der kaiserlichen Familie. Es wird als Nationalschatz im Schatzhaus Shôsoin in Nara aufbewahrt. Jeden Herbst findet eine Austellung der Schätze aus dem Shôsoin statt. Wegen der Fülle der Schätze, die alle anläßlich der Augenöffnungszeremonie überreicht wurden, kann immer nur ein Teil gezeigt werden. Das Stück des Adlerholzes mit dem Namen Ranjatai ist daher nur alle 10 bis 15 Jahre zu sehen.
An dem Holzstück sind drei kleine Papierstreifen befestigt, auf denen notiert ist, dass Proben von diesem Holz entnommen worden sind und zwar vom Shogūn Yoshimasa, vom Daimyo Oda Nobunaga und vom Meiji Tennō.
Nobunage hatte offenbar eine Probe dieses Jinko an Rikyū weitergegeben, denn im Namboroku wird berichtet, wie Rikyū bei einer besonderen Gelegenheit Ranja als Duft verwendet.
Die Mischungen können auf verschiedene Weise hergestellt werden. Auf jeden Fall müssen die Hölzer und sonstigen Zutaten zerkleinert oder pulverisiert werden. Das Holz wird auf konventionelle Weise gesägt und in feine Streifen aufgespalten. Die anderen Zutaten wie z.B. die Gewürze wurden in speziellen Mühlen zerkleinert und dann im Mörser pulverisiert, so wie es noch heute in der chinesischen Medizin mit den Zutaten gemacht wird, wenn sie auf traditionelle Weise verarbeitet werden.
Mörser zum Zermahlen von Tee oder Gewürzen
Im Genji-monogatari wird geschildert, wie die Zutaten zu den Düften zerkleinert und vorbereitet wurden.

Im Neuen Palast herrschte ebenso wie im Nijö-in eine Geschäftigkeit wie selten zuvor; aus allen Räumen klang das beständige Klappern der Stössel und Mörser. Inzwischen blieb Genji in seinen eigenen Gemächern eingeschlossen und war hingebungsvoll in seine Versuche vertieft. Es war ihm gelungen, sich zwei geheime und von dem Kaiser Nimmyô eifersüchtig gehütete Rezepturen zu beschaffen, die, wie man glaubte, nie auf einen seiner Nachfahren gekommen waren. Murasaki, die nicht übertrumpft werden wollte, hatte das Glück, die Vorschrift für eine Zusammensetzung zu entdecken, die dem Prinzen Motoyasu, dem Sohne Nimmyôs, gehört hatte; sie verschanzte sich ganz in der Tiefe ihrer geheimen Kammer des Ostflügels und verweigerte jede Auskunft darüber, was sich da vorbereitete, obgleich Genji, wie er behauptete, an dem Duft, der aus ihrem Versteck drang, bald erkannte, wie ihr die Arbeit von der Hand ging. Sie stürzten sich beide mit voller Hingabe in diese Vorbereitungen.

Neriko - Gekneteter Duft
Es wurden aber nicht nur die zerkleinerten oder pulverisierten Zutaten nach Geheimrezepten gemischt. Auch damals schon wurden die Zutaten mit Honig und Öl zu kleinen Kugeln verknetet. Diese Kugeln - Neriko - gekneteter Duft, wurden zur weiteren Reifung in Keramik- oder Glasbehältern aufbewahrt. Eine der früheren Damen Genjis, Prinzessin Asagao hatte von den eifrigen Bestrebungen den besten Duft zu mischen gehört, und sandte durch einen Boten eigene Mischungen an Genji.

Am zehnten Tag des zweitens Monats regnete es ein wenig, aber nicht mehr, als nötig war, um den Duft und die Farbe der roten Pflaumenblüte vor Genjis Palast zu vollster Geltung zu bringen. Prinz Sochi hatte von den Vorbereitungen gehört, und da er mit dem ganzen Haushalt auf vertrautem Fuß stand, machte er Besuch, obwohl er wußte, jedermann müsse sehr beschäftigt sein. Nachdem er von diesem und jenem geredet hatte, ging er mit Genji hinaus, um die Blumen zu besichtigen.
 
Da erschien ein Bote mit einem Brief, der an einen Zweig mit ein paar Pflaumenblüten gebunden war. Er meldete, daß er von der Prinzessin Asagao, der früheren Priesterjungfrau, komme. Sochi hatte von Genjis Bewunderung für diese Dame gehört. »Was schreibt sie?« fragte er. Genji lächelte. "Ich habe ihr mitgeteilt, daß wir alle hier Wohlgerüche verfertigen, und da sie auf diesem Gebiet recht viel Erfahrung hat, gibt sie mir ein paar Ratschläge."
Der Bote hatte auch ein Zedernholzkästchen mit zwei Behälter aus Lapislazuli mitgebracht, ein jedes mit Kugeln von Räucherwerk gefüllt. Das eine war aus blauem Lapislazuli und wies ein fünfspitziges Föhrennadelmuster auf, das andre war aus weißem Lapislazuli mit einem eingeschliffenen Pflaumenblütenzweig. Sogar die Schnur, mit der das Kästchen umbunden, war offenbar mit größter Sorgfalt ausgewählt und fühlte sich köstlich an. "Wie vornehm!" rief Prinz Sochi, angestrengt auf das Kästchen starrend. Er vermochte dabei, das daran befestigte Gedicht zu entziffern: "Obwohl gleich dem Pflaumenzweig, den ich sende, diese Wohlgerüche wenig eigenen Duft besitzen, werden sie doch, von dir getragen, kaiserlichen Duftes nicht ermangeln."

Ursprünglich war diese Art der Duft - Zubereitung für medizinische Zwecke bestimmt. Der chinesische Mönch Jian Zhen (688 - 673) reiste im Jahr 753 nach Japan. Er brachte eine Reihe von Handwerkern und Künstlern mit, die ihre Kunst in Japan bekannt machten. Er machte die chinesiche Medizin nach Japan und brachte unter anderem die Kunst der medizinischen Zubereitung von Düften ins Land. Er vermischte Dufthölzer, Medikamente und Gewürze und verknetete sie zu kleinen Kugeln, die in der Medizin als angewendet wurden. Diese Weihrauchkugeln wurden früher Takemono, heute Neriko genannt und sie wurden sehr schnell populär in Japan. Dem Jinko, dem Adlerholz etwa sprach man ganz besondere wirkung zur Bekämpfung von Dämonen zu. In heutiger Terminologe würde man sagen dass der Duft des Jinko hilft, Depressionen und Missstimmungen zu beseitigen und zur Gemütsaufhellung beiträgt.