Tanabata - Das Sternenfest

In China und Japan erzählt man schon seit langem die Geschichte von der Weberin und dem Ochsenhirten. In Japan heißt die Weberin Orihime - Weber Prinzessin und der Ochsenhirte Kengyu - Rindertreiber. Sie sind zwar ein Paar, aber nur einmal im Jahr, am siebten Tag des siebten Monats können sie in der Nacht zusammenkommen. Dieser Tag ist der Tag des Tanabata Festes, das an vielen Orten in Japan und Korea prachtvoll begangen wird. Tanabata - 七夕 - ist wörtlich `der siebte Abend`.

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In China heißt die Weberin Zhi-nü 織女- die Weber-Frau. Sie webt die prächtigen Kleider für ihren Vater, den Himmelskönig Tian-Di 天帝. In manchen Erzählungen ist ihr Vater der Jadekaiser Yu Di, der auch der Tian Gong, der Himmelsfürst genannt wird. Er liebt die prächtigen farbigen Gewänder, die seine Tochter Zhi-nü webt. Auf einem alten chinesischen Bild sieht man den Jadekaiser auf seinem Thronsitz, der mehr wie ein Meditationsplatz aussieht. Er ist umgeben von wunderschönen farbigen Wolken. Das sind die Gewänder, die seine Tochter für ihn webt.

Eigentlich ist der Jadekaiser der Himmelsgott, der sich aber hinter seinem Wolkengewand verbirgt. So sieht man nur den Himmel mit seinen Wolken und nicht den Gott selbst. So ist es oft: Die Schönheit drängt sich derartig in den Vordergrund, dass der Blick für das Eigentliche getrübt wird.

Auch unser Dichter Hölderlin sagt, dass sich der Gott hinter den Wolken, die sein »Gewand« sind, verbirgt. Aber er tut dies nicht aus irgendwelchen niederen Motiven. Er möchte, dass der Blick nicht an ihm festhält, sondern frei wird für die Erkenntnis der Natur:

Alltag aber wunderbar zu lieb den Menschen
Gott an hat ein Gewand.
Und Erkentnissen verberget sich sein Angesicht
Und deket die Lüfte mit Kunst.
... daß zu sehr nicht eins
Ihn liebet mit Gebeten oder
Die Seele. Denn lange schon steht offen
Wie Blätter, zu lernen, oder Linien und Winkel
Die Natur ..

Für Hölderlin ist es notwendig, dass sich der Gott hinter seinem Gewand ‚Alltag‘ verbirgt. Er verbirgt sich nicht im Alltag, sondern an ‚allen-Tagen‘. Denn dann kann der Blick frei werden für die Erkenntnis der Natur selbst. Und bleibt nicht haften am Anblick oder bei der Anbetung Gottes. Aber das ist eine andere Geschichte. In China jedenfalls verehren die Menschen weniger den Himmelsgott als vielmehr den Himmel, so wie man ihn sehen kann in seinen verschiedenen Ansichten: Klar und heiter, bedeckt mit Wolken oder im Wechsel des Lichtes der Tages- und Jahreszeiten und der Wetter.

Die Weberin

Aber schauen wir uns doch einmal die Weberin und ihr Handwerk näher an. Das Weben ist eines der ältesten Handwerke der Menschheit. Weben und Spinnen löste das Tragen von Fellen ab, weil man nun aus Wolle oder Seide lange Fäden spinnen konnte, die man durch das Weben zu einem komplexen Geflecht verbinden konnte. Wenn der Faden nicht lang genug war oder gerissen ist, so ist das schon früh ein Bild für den Lebensfaden des Menschen. Die Nornen in der nordischen oder die Moiren in der griechischen Mythologie sind nicht nur Spinnerinnen. Sie spinnen den Lebensfaden und das Schicksal. Die Moiren der griechischen Mythologie erscheinen in einer Dreigestalt als Schwestern. Klotho, die Spinnerin spinnt den Lebensfaden. Lachesis, die Zuteilerin bestimmt seine Länge und Atropos, die Unabwendbare schneidet ihn endlich durch, wenn die Zeit gekommen ist. Nicht einmal die Götter haben Macht über das zugesponnene Schicksal.

Der Lebensfaden bestimmt die Länge des Lebens. Aber die Weberin webt den Faden zu den Mustern des Lebensschicksals im Brokat des Lebens. Penelope, die Gemahlin des Odysseus ist eine ganz besondere Weberin. Sie hat versprochen, einen der Freier zu heiraten, wenn das Leichengewand für ihren Vater Laertes fertig ist. Aber sie wartet auf die Rückkehr von Odysseus. Darum trennte sie jede Nacht das am Tag Gewebte wieder auf. So bleibt die Zeit stehen und das Leichentuch wird nie fertig. Erst wenn es ganz gewebt ist, wird das Lebensmuster vollkommen zu erkennen sein. Aber dann ist auch das Leben zu Ende, weil der Faden des Lebens völlig versponnen ist.

Eine andere berühmte Weberin in der griechischen Mythologie ist Kalypso, die 'Verbergerin', die Odysseus viele Jahre in ihrer Grotte fest gehalten hatte. Sie ist eine alte Zauberin und sie hat Macht über das Schicksal der Menschen. Die Gefährten des Odysseus verwandelt sie in Schweine. Nur der listige Odysseus kann sich ihrer Zauberkunst erwehren. Als der Gott Hermes sie aufsucht, um ihr den Befehl von Zeus mitzuteilen, dass nun die Zeit gekommen ist, den Odysseus ziehen zu lassen, wird ihre zauberische Wohnstatt beschrieben:

er kam dann schließlich dahin, wo die Nymphe mit herrlichen Flechten
wohnte, zur mächtigen Grotte; ...
Feuer loderte hoch auf dem Herd und es roch auf der Insel
weithin von Düften kleingespaltener Zedern und Lärchen,
die dort verbrannten. Ihr Sang klang schön in der Tiefe des Raumes.
Hin und her am Webstuhl ging sie, mit goldenem Schiffchen
wob sie. ...
Strotzend von Trauben umrankte dort die geräumige Grotte
jung und veredelt der Weinstock. Schließlich flossen auch Quellen,
vier an der Zahl, mit blinkendem Wasser daneben,; sie kamen
nahe beisammen heraus, doch jede in andere Richtung

Dies romantische Schilderung beschreibt einen Ort, der ganz im Verborgenen liegt und der das Zentrum der Welt ist. Hier entspringen - wie im Paradies - die vier Quellen, welche die ganze Welt aufteilen in die Himmelsrichtungen. Hier ist die Weberin eindeutig eine gewaltige Göttin, die ihren Sitz am Ursprung des Lebens hat, ja ihre göttliche Grotte ist geradezu das Bild des weiblichen Ursprungs allen Lebens.

In Japan ist die Sonnengöttin Amaterasu eine Weberin. Möglicherweise hat sie im Licht des Tages das Lebensmuster aller Lebewesen gewebt und webt weiter das Lebensmuster von uns allen. Als ihr Bruder, der ungestüme Susano den himmlischen Palast verunreinigt, sticht sich die himmlische Weberin vor Schreck mit der Spindel in die Scham und stirbt. Da wird wohl ein Tabu angerührt, denn die Verfasser dieser Geschichte in den alten Annalen Kojiki und Nihonshoki vermeiden es, den Namen der Weberin zu nennen, denn die Sonne selbst kann wohl nicht sterben. Aber sie zieht sich in eine tiefe Höhle zurück, die sie von innen mit einem gewaltigen Stein verschließt. So wurden in der alten japanischen Zeit die Gräber angelegt. Alle Götter versammeln sich vor der Höhle Amaterasus, denn es gibt kein Licht mehr auf der Welt und das absolute Todesdunkel herrscht. Die Götter tanzen und lärmen vor der Höhle, worauf Amaterasu den Stein beiseiteschiebt und vorsichtig heraus lugt. Die Götter ziehen nun ein gewaltiges Seil, das aus Reisstroh geflochten wurde zwischen Amaterasu und die Höhle. Nun kann die Sonne nicht mehr für immer verschwinden. Sie muss von Zeit zu Zeit wieder hervorkommen. Darum gibt es heute noch den Wechsel von Tag und Nacht.

Der Samurai Oribe, ein »Schüler« Rikyu‘s, der den Teeweg nach dem Tode Rikyu‘s ganz wesentlich beeinflusst hat, trägt einen altehrwürdigen Namen: Ori-Be ist der Clan der Weber. Ori-hime ist die Weber-Prinzessin. Japanische Namen, die mit der Silbe Be enden, deuten darauf hin, dass die Familie bis in die Uranfänge der japanischen Gesellschaft zurückreicht, als sich die Familien in Clans und Sippenverbänden - den ‚Be‘ - organisierten. Die Ori-Be - der Clan der Weber - ist sicher so ein alter Clan.

Aber kehren wir zurück zur Weber Prinzessin, der Ori-hime.

Die himmlische Weberin webt fleißig jeden Tag die Brokat-Gewänder des Himmels. Abends aber, nach getaner Arbeit steigt sie hinunter auf die Erde. Dort legt sie ihr Zaubergewand ab und ist nun selbst in ihrer vollen Schönheit unverhüllt zu sehen. Dann steigt sie zum Bad in den Fluss.

Kengyu und Orihime - das Liebespaar

Eines Abends entdeckte sie dort der Kuhhirt Kengyu - wörtlich der Zieher der Rinder.

Er war derart bezaubert von ihrer Schönheit, dass er ihr Gewand stahl. Die Weberin konnte nun nicht mehr in den Himmel aufsteigen, aber sie verliebte sich unsterblich in den Ochsenknaben. Der Himmelsgott gewährte nun den beiden Liebenden, dass sie zusammen sein können. Vermutlich war die Verbindung ursprünglich eine Verbindung einer himmlischen Unsterblichen mit einem irdischen Sterblichen - so jedenfalls wird es in den chinesischen Erzählungen gesehen. Die beiden verbrachten nun die ganze Zeit zusammen und vernachlässigten ihre Aufgaben. Die Weberin webte keine himmlischen Gewänder mehr und der Hüteknabe ließ die Rinder verwildern. Da beschloss der Himmelsgott, sie zu trennen und versetzte sie auf die jeweils gegenüberliegende Seite des großen Himmelsflusses, der Milchstraße, der Galaxie, wie wir sie nach den Griechen nennen.

Der Himmelsfluss Ama-no-gawa

Der Himmelsfluss - der Ama-no-gawa - ist nach der Vorstellung der Japaner und Chinesen ein breiter aber flacher Fluss, der sich quer über den ganzen Himmel zieht.

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Die Milchstrasse mit dem Sommerdreieck,
gebildet aus den drei hellen Sternen Wega, Altair und Deneb

Große Felsen ragen aus dem Wasser heraus und auf jedem dieser Felsen sitzt ein Kami, ein Gott (?). Diese Kami leuchten, so dass man sie in der Nacht als Sterne sehen kann. Das japanische Wort kami für die Götter (?) wird mit dem chinesischen Schriftzeichen 神 shen (chin.) oder Shin (jap.) geschrieben. Die einheimische Religion Japans heißt dann auch Shin-To 神道 Shinto - Weg der Götter. Aber die Götter heißen nicht Shin, sondern Kami. Kami 上 bedeutet ‚oben‘. Vermutlich waren zunächst die Gottheiten »die da oben« am Himmel. Sie waren die Herren der hohen Himmelsmitte - der Polarstern, Sonne und Mond und alle Gestirne. Im Shinto gibt es die Dreiheit »Sonne Mond und Sterne«, die alle Gottheiten bezeichnet. Aber nicht nur »die da oben« sind Kami. Jeder Baum, jeder Fels oder sogar jeder Grashalm kann ein Kami sein. Niemand in Japan - auch nicht die Shintopriester - weiß so ganz genau, was ein Kami ist. Deshalb habe ich auch oben im Text immer hinter das Wort Gott ein Fragezeichen in Klammern gesetzt. Manchmal sind es auch einfach nur die Vorfahren, die schon vor langer Zeit gegangen sind und die nun ihren Segen über den Clan walten lassen, z.B. über die Ori-Be. Aber die haben schon vor so langer Zeit gelebt, dass niemand mehr so genau weiß, WER das einmal gewesen ist.

Auf jeden Fall kann man davon ausgehen, dass auch unser ursprünglich sterblicher Hirtenknabe zu einem Stern wurde, denn sein anderer Name neben Kengyu ist Hiko-boshi 彦星 - der junge Stern.

Die Erzählung von Tanabata in China

In China erzählte man die Geschichte ein wenig anders als in Japan oder in Korea. In den chinesischen Erzählungen - anders als in Japan und Korea - spielt die westliche Mutter-Königin eine wichtige Rolle.

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Die Himmlische Königin und Mutter Wangmu 西王母
mit dem Pfirsich der Unsterblichkeit in ihrem Beutel

Die himmlische Weberprinzessin und der Ochsenhirt wurden ein Paar, das glücklich zusammenlebte und zwei wunderschöne Kinder bekam, ein Mädchen und einen Knaben. Die himmlische Königin - Mutter des Westens Xi Wangmu 西王母, die auch als Mutter der Weberin galt, war aus irgendeinem Grund sehr erbost über die Verbindung der unsterblichen Weberin mit dem sterblichen Kuhhirten. Eigentlich ist das ein wenig verwunderlich, denn die himmlische Königsmutter residierte im Westen auf dem Berg Kunlun in ihrem Jadepalast. Dort servierte sie den Pfirsich der Unsterblichkeit, wodurch sich ihr Palast mit unendlich vielen Unsterblichen bevölkerte. Eigentlich hätte sie ja auch dem Ochsenhirten den Pfirsich servieren können. Aber offenbar war es wichtig, dass sich in dem Paar die Unsterbliche mit dem Sterblichen verbindet. Wir werden später noch sehen, wie sich das in der daoistischen Medizin auswirkt.

Die Mutterkönigin befahl die Weberprinzessin wieder zurück an den Himmel, damit endlich wieder der himmlische Brokat gewebt wurde.

Auf der Erde aber war der Kuhhirte sehr traurig, dass seine geliebte Gemahlin verschwunden war. Plötzlich begann sein Ochse zu reden. Er forderte den Hirtenknaben auf, ihn zu töten und seine Haut überzuziehen. Dadurch wäre er in der Lage, zum Himmel aufzusteigen.

elsterbruecke

Er zögerte nicht, tötete den Ochsen, nahm seine beiden Kinder und stieg auf zum Himmel. Aber die himmlische Königinmutter bemerkte das und zog mit ihrer Haarnadel eine Linie quer über den ganzen Himmel - die Milchstraße. Die beiden Liebenden weinten bitterlich, als sie entdeckten, dass jeder auf der anderen Seite des Himmelsflusses war und es nirgendwo eine Brücke gab. Ihre Tränen fielen dann als Regen auf die Erde. Diese Tränen rührten die Elstern und am siebten Tag des siebten Monats kamen alle Elstern der Welt zusammen und bildeten eine Brücke über den Himmelsfluss. Und dies tun die Elstern auch heute noch in der Nacht des siebten Tages. Man kann in dieser Nacht sowohl die Weberin als auch den Ochsenhirten sehen, wie sie über die Himmelsbrücke gehen. Wenn es aber regnet, dann sind es die Tränen der Weberin, die in dieser Nacht nicht hinüber kann zu ihrem geliebten Hüteknaben.

Orihime und Kengyu als Sterne

Orihime, die Weberin ist Wega, der hellste Stern im Sternbild der Leier. Der Hüteknabe und junge Stern Hiko-boshi ist der Altair, der hellste Stern im Aquila, dem Adler. 246px-Sommerdreieck.svg Sie bilden zusammen mit dem Stern Deneb im Schwan das Sommerdreieck, einer auffälligen Konstellation am nördlichen Sternenhimmel in den frühen Sommermonaten. Diese Konstellation ist so auffällig, dass sie sogar im Lichtsmog der Großstädte zu sehen ist. Die älteste Darstellung dieser Sternformation dürfte wohl in einer Höhlenmalerei von Lascaux zu finden sein. Vielleicht haben sogar die Menschen der Lascaux-Zeit mit Hilfe des Sommerdreiecks bis an die Küsten Nordamerikas navigieren können. Das lassen jedenfalls neue Funde in Amerika vermuten. In China wird der Stern Deneb als die himmlische Brücke gesehen, die den beiden ihre Begegnung ermöglicht.

Die schwarz-weißen Elstern, die am Tanabata-Tag die Himmelsbrücke bilden, sind Mond-Vögel, denn der Mond ist ja auch schwarz und weiß. In der Zeit der Einführung das Tanabata Festes in Japan um 1000 n. Chr. stand die Mondsichel zwischen den beiden Sternen Wega und Altair und bildete das Boot oder die Brücke, ermöglichte also die Verbindung der beiden Liebenden.

So ist Tanabata ein Fest der ehrwürdigen Sterne, der O-hoshi Sama. Sie werden nicht wie eine normale Person mit San angeredet, sondern mit ‚Sama‘, das man nur bei hochstehenden und ehrwürdigen Personen verwendet Hoshi Sama - ehrwürdige Sterne. Verstärkt wird die besondere Verehrung noch durch die Vorsilbe O-, ein Präfix, mit dem man die Hochachtung ausdrückt. Der Tee heißt in Japan nicht einfach nur Cha sondern O-cha, der Sake O-Sake und die Sterne Hoshi eben O-Hoshi. So singt man in Japan das Tanabata Lied:

Sasa no ha sara-sara 
Nokiba ni yureru
Ohoshi-sama kira-kira
Kingin sunago
 
Goshiki no tanzaku
watashi ga kaita
Ohoshi-sama kirakira
sora kara miteiru

Die Blätter des Bambus sara rara
rascheln an der Dachtraufe
Die ehrwürdigen Sterne kira-kira
am golden-silbernen Sand (des Himmelsflusses)
 
Die fünffarbigen Papierstreifen
habe ich beschriftet.
 
Die ehrwürdigen Sterne kira-kira
sie schauen auf uns vom Himmel.

Tanabata_Festival_in_Edo_(Hiroshige,_1852)-kl
Tanabata Fest in Edo
Hiroshige 1852

Die fünffarbigen Papierstreifen werden an den Bambus gebunden. Auf sie schreibt man Gedichte oder seine Wünsche. Am Nächsten Tag wird dann der Bambus mit den Papierstreifen in den Fluss geworfen, der für den Himmelsfluss steht. In diesem Lied vereinigen sich eine ganze Reihe von Geräuschen, die in einer Lautmalerei beschrieben sind. Die Blätter des Bambus rascheln Sara-Sara. Die ehrwürdigen Sterne - Ohoshi sama machen ebenfalls ein »Geräusch«, wenn sie blinken: Kira-kira! Das kann man sicher ganz deutlich hören, wenn man des Nachts intensiv hinaufschaut zum Himmel. Aber auch prächtig geschliffene Diamanten kann man hören wie sie kira-kira sagen! Frische glänzende Münzen dagegen machen ganz deutlich hörbar pika-pika (bei uns in Deutschland haben sie früher offenbar pinke - pinke getönt). Die schwarz-weiße Elster ist ein Mond-Vogel, der ja auch schwarz und weiß ist. In der Zeit der Einführung das Tanabata Festes in Japan um 1000 n. Chr. Und die Blätter des Bambus an der Dachtraufe klingen eben sara - sara. So klingt auch der Teebesen in der Teeschale, wenn man den Pulvertee schlägt. Jedenfalls sagen japanische Teelehrer immer: »Sara-sara!« wenn der Tee geschlagen werden muss.

Weberin und Ochsenhirte in der daoistischen Medizin

Aber die Weberin und der Hirtenknabe sind nicht nur Sterne am Himmel. Nach der daoistischen chinesischen Medizin haben sie ihren Sitz im menschlichen Körper.

Im Tempel der weißen Wolke in Peking wird eine alte daoistische Schrift gehütet mit der »Landkarte« des menschlichen Körpers, der Nei-ching-Tu. Diese Karte ist auch auf einem Stein auf dem Tempelgelände abgebildet. Über diese innere Karte wäre viel zu sagen und zu schreiben. Sie ist auch, etwas ausführlicher als hier, in meinem Buch über die »Heiligen Drachen« beschrieben.

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Die Karte zeigt den menschlichen Rumpf von der Seite. Oben am Kopf ist das fünfgipfelige Gebirge Kunlun, das Zentrum der Welt. Dort sitzt der alte Weise Laotse mit ‚hängenden Augenbrauen‘, unterhalb von ihm steht mit erhobenen Armen der ‚blauäugige Mönch‘ Boddhihdharma, der den Zen von Indien nach China brachte. Die beiden repräsentieren den einheimischen chinesischen Daoismus und die ‚neue‘ Religion des Buddhismus in der Form der Zen-Meditation. Beiden ist die "Drachentorschule" verprlichtet, aus der die Schrift stammt.

Etwas unterhalb der Mitte neben dem feurigen Kreis aus vier Yin -Yang - Symbolen sitzt die Weberin bei ihrer Arbeit. Der Knabe mit dem Ochsen kommt zweimal vor. Einmal sieht man ihn hinter dem Ochsen herziehen und das Feld pflügen, einmal erscheint er oberhalb der Weberin mit dem Sternbild der ‚großen Schöpfkelle‘, dem kleinen Wagen in der Hand. Diese beiden sind mit dem Band der Milchstraße miteinander verbunden.

Der Ochse, mit dem das Feld gepflügt wird, steht für die Milz, die in der chinesischen Medizin eine ganz wichtige Aufgabe für die Gesundheit hat. Die Milz ist die Mitte und die Erde. Krankheiten der Milz gehen einher mit dem Verlust der Mitte. Milz und Magen-Eingeweide gewinnen aus der Nahrung das Chi, die nachgeburtliche Lebensenergie. Wird die Mitte gestört, dann entstehen die tausend Krankheiten. Die Mitte ist im System der fünf Elemente die Erde, die hier vom Hirtenknaben und dem Ochsen beackert und kultiviert wird. Ist die Mitte gut bearbeitet, dann findet oder sät der Ochsenknabe dort im Acker eine Fülle von goldenen Münzen, dem Bild für ein gutes, gesundes und langes Leben.

Kein Wunder also, dass der Ochsenknabe ursprünglich ein Sterblicher war, der zur Erde gehört. Später aber steigt er auf zum Himmel, indem er sich in die Haut des Ochsen hüllt. Er muss die Ochsenhaut mitnehmen zum Himmel, damit er den wichtigen Kontakt mit der Erde nicht verliert. In der Karte des inneren Körpers steht er mitten im Reisfeld, das spiralförmig in der Blase des Herzens dargestellt ist. Das spiralige Reisfeld ist der himmlische Acker. In Japan werden die Reisfelder für die Shintoschreine immer noch spiralförmig angelegt. Die Reiskörner sind die Saat des Lebens und gleichzeitig ein Abbild des Sternenhimmels mit den unzähligen Sternen. In Japan sagt man vom Reiskorn: »Ein Korn - tausendfacher Ertrag«. Man meint damit nicht nur die reale Saat aus Reiskörnern. Auch unsere geistigen Bemühungen bringen tausendfache Ernte, wenn wir uns nur daran machen, zu säen und die Saat zu pflegen.

In der Hand hat der Hirtenknabe die ‚große Schöpfkelle‘, das Sternbild, das sich um den Himmelspol dreht und im Laufe des Jahres die gesamte Himmelsenergie ‚schöpft‘.

Die Weberin webt aus der himmlischen Energie, die der Hirtenknabe mit der Schöpfkelle sammelt und dem silbernen Mondlicht wunderbare Seidengewebe, die im unteren Tantien - dem Zinnoberfeld - als Lebensenergie gesammelt wird. Dies ist dargestellt in den vier flammenden Yin-Yang-Kreisen, die etwa in der Lendengegend sitzen.

In der Geschichte von Tanabata steigt die Weberin des Nachts hinunter zur Erde und badet im Fluss. Dieser Fluss ist die Lebensenergie, die in der Wirbelsäule nach oben steigt. Sie wird von den beiden Kindern, einem Mädchen und einem Knaben, die ganz unten im ‚großen Wasser‘ die Treträder antreiben nach oben gepumpt. Das ist der warme Fluss der Energie, die man bei der Meditation spürt, wie sie in der Wirbelsäule aufsteigt. Die beiden Kinder sind in der daoistischen Medizin die Keimdrüsen oder die Eierstöcke, in denen nicht nur die Sexualenergie, sondern die gesamte Lebensenergie ihren Sitz hat.

Die Weberin ist in der linken Niere lokalisiert, dem Sitz der Sexualität und des wässrigen Yin. Der Ochsenknabe im Herzen ist die Energie der Liebe im Herzen und feuriges Yang. Aus der Verbindung von triebhafter Sexualität der Niere und der feurigen Liebe im Herzen entsteht das himmlische Kind, der Stein der Weisen oder das Reiskorn, das den gesamten Kosmos in sich birgt. So ist die Trennung der Weberin und des Ochsenknaben die Spaltung von Liebe und Sexualität, die erst mit viel Mühe wieder zusammenfinden können. Dann, an Tanabata ist die Trennung aufgehoben und die Liebe wird möglich.

Darum ist Tanabata das Fest der Liebenden. Feiern wir sie aber bitte nicht nur an diesem Tag! Dieser Tag soll nur daran erinnern, dass wir stets in dieser Verbindung leben sollten.

 


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