Der Gang aufs Land – Friedrich Hölderlin gelesen von Gerhardt Staufenbiel
Heute ist Pfingstmontag. Nach langer Zeit der Stille wird das Land zaghaft wieder geöffnet.
Wir feiern die ersten Tage, an denen man wieder Besuche machen darf und an denen wir den blauen Himmel des Frühlings genießen können. Da passen die Verse von Friedrich Hölderlin, als hätte er sie für genau diese Zeit geschrieben.
Seit vielen Jahren befasse ich mit Hölderlin’s unvollendet gebliebenem Gedicht. Für mich war es immer, als würde Hölderlin eine Zen – Erfahrung beschreiben. Das ganz alltäglich Ereignis eines gemeinsamen Mahls an Feiertagen des Frühlings wird zur Erfahrung des Heiligen schlechthin.
Es war mit ein Bedürfnis, den Text zu lesen. Möge er uns ins Offene geleiten.
Viele Spass beim Zuhören.
Das Gedicht ist ausführlich interpretiert in Meinem Buch über Hölderlin:
Im Garten der Stille Hölderlin im Gespräch mit Zenmeister Dogen
Wer mithelfen will, das neue Myoshinan wieder aufzubauen ist mit einer Spende herzlich willkommen.
Wir werden in der nächsten zeit im Garten einen überdachten Vorbau aufstellen mit dem großen Refektoriumstisch als Versammlungs- und Gesprächsort. Im Keller wird eine Werkstatt entstehen, in der wir wieder Shakuachi bauen können. Ein Gästezimmer soll noch renoviert und eingerichtet werden. Jeder, noch so kleine Betrag hilft!
Es ist ein wunderschöner Frühlingstag. Die Sonne scheint warm und angenehm. Die Vögel singen und die frisch gemähte Wiese duftet. Eigentlich könnten wir in die Stadt ins Gartencenter fahren und noch ein paar Pflanzen kaufen.
Wir fahren durch die wunderschöne Landschaft. Die Wiesen blühen und die Wälder leuchten im frischen Grün. Das Leben ist schön!
An der letzten Ampel vor dem Gartencenter fällt mir mit Schrecken ein: Wir haben die Masken vergessen. Sollen wir versuchen, ohne Maske hinein zu kommen? Nein! Keine Chance. Es besteht Maskenpflicht.
Also machen wir einen kleinen Ausflug zurück nach Hause. Dort steht ein ganzer Karton von Atemschutzmasken, die ein Freund aus China als Geschenk geschickt hatte.
Als wir den Markt betreten wollen, prangt dort dick und fett das Schild:
„Eintritt nur mit Maske. Ohne Einkaufswagen kein Zutritt. Immer nur eine Person pro Einkaufswagen.“
Wir sind zu zweit, also nehmen wir zwei Wagen, obwohl wir nur einen brauchen. Im Center ist eine ganz entspannte Stimmung. Die Verkäufer sind nett und es sind nur wenige Leute beim Einkaufen. Ich suche noch einen Gartenhibiskus, denn das war die Lieblingsblume von Teemeister Sen Sotan. Eine einzige Blüte mit einem Gras in einer Blumenvase aus Korb im Teeraum zeigt wunderbar schlicht aber herzergreifend die Jahreszeit. Nun fehlt noch eine U no Hana, eine Hasenblume, auf Deutsch eine Deutzie. Sie zeigt die Jahreszeit des frühen Sommers. Es gibt eine berühmte Teeschale mit einer Malerei, die eine Deutzie an einem Bambuszaun zeigt: U no Hana gaki.
Wir haben die Einkäufe im Wagen verstaut. Nun lockt ein kleiner Hunger. Drüben im Supermarkt gibt es belegte Semmeln. Wir erstehen zwei Stück. Ach, da stehen ja ein paar Tische draußen. Dort ist zwar der Parkplatz, aber etwas Grün lässt den Ort verlockend erscheinen. Ganz entfernt an einem Tisch sitzt noch ein Paar und trinkt seinen Kaffee. Die Sonne scheint, es ist warm und ein angenehm frischer Wind weht. Wir sind gerade fertig mit Essen, da kommt eine Verkäuferin aus dem Markt zu uns. Sie wirkt verängstigt und gestresst: „Wenn Sie da sitzen wollen, müssen Sie ein Formular ausfüllen und unterschreiben. Mit Adressangaben und Beantwortung einiger Fragen. Falls etwas geschehen sollte, können wir sie zurückverfolgen!“
Oh Schreck! Habe ich etwas ausgefressen oder sehe ich verdächtig aus? Ach nein, es ist ja Corona. Verängstigt und geduckt steht die Verkäuferin vor uns. Es ist ihr sichtlich peinlich.
Plötzlich ziehen dichte Wolken auf. Die Angst steigt in die Kehle. Nein, ich will nicht, dass ich jemanden anonym anstecke und verfolgt werden muss. Der Wind ist kalt und unangenehm. Was für ein schreckliche Tag heute. Wir verabschieden uns freundlich und gehen. Die Verkäuferin wirkt erleichtert. Wider ein paar potentielle Coronaträger verjagt! Das Paar am Nachbartisch ruft uns noch nach: „ Wir mussten auch unterschreiben! Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich keinen Kaffee bestellt. Aber sollen wir den auf dem Parkplatz stehend trinken?“
Zuhause angekommen packen wir die Pflanzen aus. Nein, heute werden wir sie nicht mehr einpflanzen. Wer weiß, vielleicht bringt das Unglück? Schade um den schönen Tag!
Langsam steigt die Abendsonne auf. Unterm Kirschbaum bei einem Glas Wein rückt sich alles wieder zurecht. Friedliche Stille. Nur die Vögel singen ihr Abendlied. Wie gut, dass wir in einem kleinen Dorf mitten auf dem Land leben. Hier ist die Welt noch in Ordnung.
Im Teich quakt der Frosch, der sich dort eingemietet hat. Merkwürdigerweise heißt auch er Kurt wie der Frosch aus meinem Haikubuch. Morgen bekommt er noch ein paar Wasserpflanzen. Japanische Sumpfiris und Schachtelhalm. Da kann sich Kurt dann einnisten.
Fernher, am Tosen des Himmels Tönt wie der Amsel Gesang Der Wolken heitere Stimmung … Und Rufe, wie Hinausschauen … Viel sind Erinnerungen. Hölderlin, Griechenland
Erst gestern doch hat man die Setzlinge ins Feld gepflanzt – unversehens rascheln auf dem Herbstfeld jetzt die Blätter im Wind
Dass der Herbst gekommen kann ich mit den Augen noch nicht sehen. Doch das singen des Windes hat mich tief ergriffen.
Über den Fluss weht kühl der Wind – kommt mit dem Tosen der Wellen nun auch der Herbst heran? Kokin wakashu
Unter dem Herbstmond sah ich Blumen auf dem Feld – ach, es war nur Stroh! Basho
Mit Blumen aus Stroh über dem kahlen Herbstfeld tanzt ein frischer Wind. G.St.
Toyo war eine Provinz im alten Japan. Es ist eines der ersten Länder bei Entstehung der Welt.Toyo heißt auch: ‚üppig, reichhaltig‘. Akita ist das Herbstfeld.
Toyo Akita ist ein Shakuhachi Stück aus der Tradition des Icchoken Tempels.
Wegen der langen Läufe, die den Herbstwind über den abgeernteten Feldern nachahmen, ist das Stück sehr schwer zu spielen.
Sollte jemand Interesse am Unterricht der traditionellen Zen – Shakuhachi haben, bitte melden. Ich unterrichte – nicht nur in Zeiten von Korona – online mit Jitsi, facetime oder Skype.