Das Lachen der Götter

Japan ist schon ein merkwürdiges Land. Bei den religiösen Feiern am Shintoschrein wird getanzt, getrunken und gelacht.

Wir hatten das Glück, in Nikko bei einem zweitägigen Shinto – Matsuri teilzunehmen. Kinder und Jugendliche saßen in festlich geschmückten Wagen, die durch die Staßen gezogen wurden und schlugen die Trommeln. Als Begleitung war auch ein Wagen unterwegs, in dem das Fass mit dem Sake transportiert wurde. In einem mit Holzkohle geheizten Ofen wurde der Sake gewärmt und an die Teilnehmer des Festzugen aber auch an Zaungäste ausgeschenkt. Das war auch bitter nötig, weil es an dem Tag recht kalt war, ja, am nächsten Tag lagen 15 cm Neuschnee, und das Mitte April. Am „heiligen Ort“, der Brücke, die wie die Himmelbrücke geformt ist, auf der Izanagi und Izanami standen, als sie die Inseln Japans schufen, fand eine Shinto-Zeremonie statt. Und dann wurde weiter gesungen, getanzt und die Trommel geschlagen, bis spät in den Abend. Vor Touristen hörten wir das weise Wort:“Das ist ja eine vollkommen andere Welt!“

Wohl wahr. Nicht das Leiden bringt das Licht in die Welt, sondern das Lachen!

Einmal, es war schon kurz nach der Entstehung aller Dinge, zog sich die Sonne, Amaterasu zurück in eine Höhle. Ihr Bruder Susano, der „immer heult wie der Wind“ hatte den Tod in ihren Himmlischen Palast gebracht, indem er die abgezogene Haut  eines Pferdes in den himmlischen Weberpalast der Amaterasu warf. Die Höhle ist vermutlich ein Felsengrab, wie man es im frühen Japan findet.

Oh weh, nun war das Licht aus der Welt verschwunden. Alle Kami versammelten sich und beratschlagten, was man denn tun könne. Aber es fiel ihnen nur ein, eine hübsche junge Frau mit einem pausbäckigem Gesicht zu rufen, die vor der Höhle tanzen sollte. Alles wurde vorbereitet, Büsche und Bäume mit Papierstreifen geschmückt und ein riesiges Fass umgedreht vor der Höhle aufgebaut, das als Tanzbühne dienen sollte. Die junge Ama no Uzume stellte sich auf das Fass, hob ihre Rochschöße so weit hoch, dass man ihre Scham und ihre Brüste sehen konnte und wollte zu tanzen beginnen. Da brachen die Miriaden von anwesenden Kami in ein schallendes Gelächter aus.

Amaterasu hörte das drin in ihrer Höhle und dachte bei sich: „Wie können die Kami so laut lachen, wo doch kein Sonnenlicht mehr auf der Welt existiert?“ Vorsichtig öffnete sie die Höhle einen Spalt weit und da sah sie die Uzuma einen öbszönen Tanz tanzen. „Wir haben eine viel schönere Sonne gefunden, als du es bist!“ rief Uzuma der Amaterasu zu und hielt ihr einen Spiegel vor. Amaterasu hatte noch nie einen Spiegel gesehen, darum frage sie sich, wer wohl die strahlende Schönheit sei, die ihr da entgegenschaute und sie kam immer weiter aus ihrer Höhle heraus.

Da zogen die Kami ein aus Reisstroh geflochtenes Seil zwischen sie und die Höhle. Nun konnte die Sonne nicht mehr tief in der Höhle verschwinden, sie mußte immer wieder hervorkommen. Und so kommt es, dass heute noch Tag und Nacht miteinander abwechseln.

Aber was das Licht zurück gebracht hatte in die Welt, war das Lachen der Götter!

Sie hatten gelacht über den obszönen Tanz der Uzuma, weil der ihnen gezeigt hatte, wie der Tod überwunden werden kann: durch die Freuden des Lebens selbst. Nicht das Leiden und der Tod bringt das Leben, sondern die Freuden und das Lachen.

Wer sagt denn noch, dass der Shinto eine „primitive“ Religion ist?

Mehr von diesen Geschichten finden sich in dem kleinen Buch „Wie der Donnergott einmal in den Brunnen fiel“. Zu beziehen bei Amazon, im Buchhandel oder im Dōjo in Oberrüsselbach.

Im Dōjo gibt es auch eine CD, auf der einige der Geschichten aus dem Buch auf Fränkisch erzählt werden, damit das Lachen das Licht in die Welt bringt.

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